Eine Liebe, die sich gewaschen hat

Die Fußwaschung – ein tragfähiges Profil für Gemeinden und Einrichtungen

Von Prälat Stefan Dybowski

„Lass uns verstehen, was du willst von einem jedem von uns und mit der Kirche von Berlin“ – so beten wir im Gebet für den Pastoralen Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“. Aber wie können wir erkennen, was Gott von uns will?

Das Bonifatiuswerk hat 2016 seine Arbeitshilfe für die Erstkommunion-Vorbereitung unter das Leitwort „Eine Liebe, die sich gewaschen hat“ gestellt. Das Motto führt uns in den Saal, wo Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert hat. Und während des Mahles stand er auf, umgürtete sich mit einem Leinentuch und begann, seinen Jüngern die Füße zu waschen (Joh 13, 1-20). Gern hätte ich gewusst, was in den Köpfen der Jünger in diesem Moment vorging. Petrus spricht es aus, was vielleicht alle gedacht haben: „Du sollst mir nicht die Füße waschen.“ Er konnte es nicht ertragen, dass sein Meister auf einmal vor ihm hockte und ihm die schmutzigen Füße wusch.

Nachdem Jesus allen Aposteln die Füße gewaschen hatte, erklärte er sein Tun: „Die Mächtigen missbrauchen häufig ihre Macht. Bei euch aber soll es anders sein. Wer von euch groß sein will, darf sich nicht zu schade sein, sich zu bücken und dem anderen die Füße zu waschen.“ Und er beendet seine Rede: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr es auch so macht wie ich.“

Den anderen groß machen – auch im Alltag

„Erkennen, was du willst mit einem jedem von uns und mit der Kirche von Berlin ...“ Deutlicher kann man es eigentlich nicht sagen. In vielen Gemeinden wird in der Liturgie am Gründonnerstag nachvollzogen, was Jesus damals getan hat. Bischöfe und Priester waschen zwölf Gläubigen die Füße. Das ist schon ein ergreifender Moment. Aber was ist nach dem Gottesdienst? „Na, ich kann doch nicht jemand in der Gemeinde oder sogar an meinem Arbeitsplatz die Füße waschen? Ich will mich doch nicht lächerlich machen!“

Fußwaschung – so hat Jesus sein Tun erklärt – bedeutet, den Anderen groß zu machen. Wie das im täglichen Leben geht, kann man bei Johannes Bosco sehen, dem großartigen Seelsorger und Freund der Jugend. In einem Film, den ich mal von den Salesianern bekommen habe, sieht man ihn mit Jugendlichen Fußball spielen, singen, herumtoben. Doch wer genau hinschaut, merkt: Don Bosco wird nicht Kumpel, nicht Kind, er bleibt Priester und Seelsorger. Aber er öffnet sich ganz für die Kinder, ist empathisch für das, was sie bewegt, ihre Freuden und Sorgen. Die Jugendlichen fühlen sich von ihm verstanden, ernst genommen, wertgeschätzt. Eine Liebe, die sich gewaschen hat.

Don Bosco geht sogar noch weiter. Er kümmert sich darum, dass die Jugendlichen einen Beruf erlernen. Im Film sieht man Jugendliche an Nähmaschinen oder Druckerpressen. Don Bosco entdeckt ihre Fähigkeiten und fördert diese. Stolz zeigen die Jugendlichen am Ende, was sie fertig gebracht haben – und die Kamera gleitet über strahlende Gesichter.

Nicht nur liturgisches Tun, sondern tragfähiges Profil

Was will Gott von uns und von der Kirche von Berlin? Eine konkrete Antwort könnte lauten: Eine Liebe die sich gewaschen hat. Es wäre ein tolles geistliches Thema für die Entwicklungsphase, in den Gruppen und Gremien zu überlegen, wie man Menschen groß machen kann: Kinder, alte Menschen, Fremde, Menschen mit Behinderungen, auch die vertrauten Gemeindemitglieder, die sich seit langem engagieren. Wie das gehen könnte, kann man bei Don Bosco und vielen anderen erleben. Dann ist Fußwaschung nicht nur ein frommes liturgisches Tun, sondern wird zum Profil, an dem man unsere Gemeinden und Einrichtungen erkennen kann. Ich glaube nicht, dass Sie sich damit lächerlich machen.

Foto: Demütiger Dienst am Nächsten: Wie gelingt die Fußwaschung im übertragenen Sinn im Alltag einer Kirchengemeinde?  Walter Wetzler