Wort zum 4. Advent 2014

„Du bist begnadet - Fürchte Dich nicht!“

Keine Woche mehr bis Weihnachten und immer häufiger höre ich die Frage, ob ich schon alle Geschenke habe und wie weit die Vorbereitungen sind.

Wie jedes Jahr scheint der Druck zu steigen, auch auf der Straße oder beim Einkaufen. Es soll schließlich alles perfekt werden, sofort merke ich, wie brüchig dieser Anspruch ist.

Die Sehnsucht nach friedvollem Miteinander, nach einer Zeit von Frieden und Gerechtigkeit gehört in diese Tage des Advents. Wir hören in den Texten davon: „Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein.“ (Jes 11,6).

Friedliches Miteinander und Spuren im Schnee

Auch Geschichten, die erzählt oder erfunden werden, zeigen diese Sehnsucht nach Frieden, Heil und Leben in der ganzen Welt.  Es sind oft Geschichten von Türe öffnen, Mut und Zutrauen.

Das gilt auch für Wanja, der in einer Hütte am Waldesrand wohnt. Als wieder einmal ein Schneesturm um seine Hütte tobt, klopft es in der Nacht bei ihm. Er öffnet seine Tür: Ein Hase bittet halb erfroren um Unterkunft für eine Nacht. Wenig später bitten auch ein Fuchs und schließlich ein Bär um eine Herberge. Die Tiere versprechen, dass für diese Nacht Frieden unter ihnen herrsche. Keiner wird dem anderen etwas zu leide tun. Wanja lässt sie herein und bietet jedem eine Ecke in seiner Hütte an. Als Wanja aufwacht sind die Tiere verschwunden. Unsicher, ob alles nur ein Traum war, öffnet er die Türe: Der Schneesturm hat sich gelegt. Im Schnee sieht er die Spuren der Tiere. Jedes ist in eine andere Richtung weitergezogen, unverletzt und wohlbehalten.

Du bist begnadet. Fürchte dich nicht!

Nicht nur für eine Nacht sondern ohne Ende wird uns in den biblischen Texten Heil und Leben, eine Zeit des Heils angekündigt. Der Neubeginn geschieht nicht mit Pauken und Trompeten sondern in einer ungewöhnlichen Begegnung der jungen Frau, Maria, mit einem Engel. Es geht um Zu-Mut-ung, Zutrauen - und Vertrauen auf Gott.

Für Maria ist eigentlich alles klar geregelt ist: Die Hochzeit ist geplant, ihr Weg scheint vorgezeichnet Und jetzt soll alles anders werden? Gott will durch sie Großes tun, Gott will Mensch werden in einem  Kind, ganz Mensch, radikal, mit allen Härten des menschlichen Lebens.

Der Engel, der Maria diese Botschaft bringt, klopft gar nicht erst an, sondern tritt ein und begrüßt Maria. „Sei gegrüßt, Du Begnadete, der Herr ist mit Dir.“ Und auf ihr Erschrecken hin sagt er: Fürchte Dich nicht. (Lk 1, 28)

Am Anfang dieser Begegnung stehen damit zwei Zusagen Gottes: Du bist Begnadet! - Fürchte Dich nicht!

Gott traut Maria etwas zu, etwas Unbegreifliches. Gnade und Freude haben im Griechischen den gleichen Wortstamm. Beides gehört zusammen. Gott erfüllt Maria mit Gnade und mit Freude. Und er sucht die Zustimmung von Maria, die innere freie Zustimmung.

Ob sie geahnt hat, worauf sie sich einlässt?

Genauso wesentlich erscheint mir daher die zweite Zusage: „Fürchte Dich nicht!“

Ich bin sicher, dass sie sich sehr gefürchtet hat, nicht nur als der Engel kam, sondern auch als er wieder ging. Nüchtern schreibt Lukas: „Danach verließ sie der Engel.“

Da sitzt sie nun: Und langsam wird ihr klar, was zu tun ist: Mit Josef reden, und mit der Familie. Ihre Sorge bleibt: Was wird passieren, wird sie ausgeschlossen werden, werden sich alle von ihr abwenden?

Wie viel geredet werden musste, wie viel Angst ausgehalten und wie viele Tränen geflossen sind, hören wir nicht. Das tiefe Gottvertrauen von Maria, lässt sie wissen, dass Gott an ihrer Seite steht. Und der Engel bestätigt das: „Fürchte Dich nicht!“ Vielleicht ist das ihre Basis auf der sie „ja“ sagen konnte zu der radikalen Veränderung ihres eigenen Lebens.

Viele machen auch heute diese Erfahrungen in ihren Familien, dass es ganz und gar nicht so läuft, wie erwartet oder erhofft. Gott sagt genau hier seine Nähe zu, stellt sich an die Seite der Menschen, aller Menschen, weil er selbst Mensch geworden ist.

Maria öffnet auch eine Tür: Die Tür Ihres Herzens, die Tür ihrer Liebe zu Gott und zu den Menschen, die Tür für das Kind, in dem Gott Mensch wird in die Dunkelheit der Welt hinein.

Aber Maria ist kein Übermensch. Was an ihr in unvergleichlicher Weise gezeigt wird, gilt für jeden: Jeder und jede ist begnadet, begnadet mit dem Leben, das ist Geschenk und Auftrag.

Ich finde, es ist ein großartiger Gedanke, dass Gott jedem Menschen, egal wie er oder sie ist, Gnade zuspricht, ihn groß und stark machen will.

Das heißt auch, dass ich nicht perfekt sein und auf Gott vertrauen kann: „Fürchte dich nicht!“

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten vierten Adventssonntag

Ihr Christopher Maaß