Liebe Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Herr Schulpfarrer Nehk hat Sie bereits mit Schreiben vom 11.September 2011 darüber informiert, dass wir von unterschiedlicher Seite und auch von Torben und seiner Familie selbst gebeten wurden, Torben an einer katholischen Schule in Berlin den Weg zum Abitur zu ermöglichen. Alle bisher angefragten Schulen hätten die Aufnahme verweigert.
Es gab gründliche Überlegungen und Gesprächen mit Torben, seinen Eltern und seiner Gerichtshelferin, in die auch sehr zeitig die Schulleitung, die Schulelternvertreter, die Lehrer und der Schulpfarrer mit einbezogen wurden. Darin sind wir gemeinsam zu der Überzeugung gekommen, dass wir uns der Bitte aufgrund des besonderen Bildungs- und Erziehungsauftrags der katholischen Schulen nicht entziehen können und dürfen. Dabei möchten wir noch einmal ganz deutlich machen, dass die Schwere der Tat durch die Aufnahme in die Liebfrauenschule nicht verharmlost werden soll und darf.
Inzwischen ist das Urteil gesprochen. Das Landgericht hat Torben zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Am Ende der Urteilsbegründung – die vom Gericht ausdrücklich als „Nachbemerkung“ bezeichnet wurde – setzte sich der Vorsitzende Richter mit den Folgen des Urteils für Torben auseinander. Er betonte, dass das Gericht mit diesem Urteil Torbens weitere Entwicklungsmöglichkeiten nicht verbaut habe und erklärte, dass der in Aussicht stehende Besuch der Schule trotz der voraussichtlichen Vollstreckung der Strafe möglich sei. Der Vorsitzende sprach Torben dabei direkt an und forderte ihn auf, dennoch seine schulische Ausbildung weiter zu verfolgen.
Den gegen Torben bestehenden außer Vollzug gesetzten Haftbefehl hat das Gericht aufrecht erhalten, die Verschonungsauflage jedoch dahingehend gemildert, dass sich Torben nur noch einmal wöchentlich (statt wie bisher dreimal) bei der Polizei melden muss. Bis zum Antritt der Strafe bleibt Torben also auf freiem Fuß und ist keinen weiteren Einschränkungen unterworfen.
Nach der Urteilsverkündigung haben wir in einem weiteren Gespräch mit unserem Schuldekan, Domkapitular Pietsch, Herrn Pfarrer Nekh und Torbens Rechtsanwalt die Möglichkeit geprüft, ob dieses Urteil einen Schulbesuch Torbens zulässt. Dies konnte bejaht werden und wir sind nach wie vor der Ansicht, dass wir den eingeschlagenen Weg weiter gehen wollen.
Von daher wird Torben zu gegebener Zeit am Unterricht der Schule teilnehmen.
Wir haben uns auch in einem eigenen Brief an das Opfer gewandt und unsere Entscheidungsgründe dargelegt.
Liebe Eltern und liebe Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen auch Ihre uns vorgetragenen Ängste, Sorgen und Anregungen ernst. Uns ist bewusst, dass dieser Weg sorgsam begleitet werden muss und dass alle Beteiligten einen Anspruch darauf haben, Unterstützung in dieser besonderen Situation zu erfahren.
Deshalb wird die Schulpsychologin der Liebfrauenschule, Frau Kowollik, Torben und die Schülerinnen und Schüler begleiten. Die Schulpsychologin Frau Buter berät die Kolleginnen und Kollegen und unterstützt sie durch das Angebot der Supervision.
Hinsichtlich Ihrer großen Sorge vor einem erdrückenden Presseaufgebot haben wir mit unserer Pressestelle vereinbart, dass alle Auskünfte und Interviews ausschließlich von unserem Pressesprecher Herrn Förner getätigt werden. Die Schulleitung hat auch allen Schülerinnen und Schüler geraten, sich diesem Verfahren anzuschließen. In der Schule selbst soll es für die Presse keine Möglichkeit der Befragung oder Berichterstattung geben. Deshalb darf die Presse das Schulgrundstück nicht betreten. Aus diesem Grunde stehen wir mit der zuständigen Polizeidienststelle in engem Kontakt. Damit hoffen wir die Schule ausreichend zu schützen.
Wir danken Ihnen, liebe Eltern, und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für Ihre engagierte und auch kritische Begleitung in der Zeit dieses nicht immer leichten Kommunikations- und Entscheidungsprozesses, für den offenen und intensiven Dialog, für viele schriftliche Stellungnahmen und Ermutigungen.
Wir hoffen, dass wir mit dieser Entscheidung unserem besonderen christlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht werden und dass alle am Schulleben Beteiligten besonnen und mit Gottvertrauen diesen Weg gehen können.
Hans-Peter Richter
Dezernatsleiter Schule, Hochschule und Erziehung im Erzbischöflichen Ordinariat Berlin