Diözesanrat trauert um Georg Kardinal Sterzinsky

Erzbischof em. Georg Kardinal Sterzinsky ist tot. Von 1989 bis zu seiner Emeritierung Ende Februar dieses Jahres hat er das Erzbistum Berlin geleitet. Er starb nach schwerer Krankheit, ohne dass ein öffentlicher Dank für sein verdienstvolles Wirken und eine persönliche Verabschiedung möglich war. Das schmerzt und stimmt traurig.

Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin, das oberste Laiengremium, verliert mit ihm einen Gesprächs- und Bündnispartner, der die synodalen Strukturen der Kirche geachtet und den Laien stets große Wertschätzung entgegenbrachte. In einer Zeit, die kirchenpolitisch geprägt ist vom Streit zwischen konservativem Rückfall in die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil und entschiedenem Eintrete für die Verheutigung des Glaubens, vertrat er eindeutig liberale Positionen. Kirche war für ihn nicht Ort der Durchsetzung einer Norm, sondern – wie er es einmal in einem Gespräch mit dem Vorstand des Diözesanrats formulierte – „Ort der Freiheit und Ermöglichung von Leben“.

Wir verdanken Georg Kardinal Sterzinsky viel. Ihm, der als Kind Vertreibung und Flucht am eigenen Leib erleben musste, lagen die Rechte von Flüchtlingen und Migranten besonders am Herzen. Er scheute nicht, sich persönlich bei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung für die Rechte einzelner Migranten oder Familien einzusetzen. Noch im Dezember vergangenen Jahres mahnte er im Rundfunk, Zuwanderer aus humanitären Gründen aufzunehmen, unabhängig von ihrem Universitätsabschluss oder möglichen Wert für unsere Wirtschaft. Mit seinen ausgesprochen progressiven Positionen hat er in der Asylpolitik bleibende Verdienste erworben, Mahnung und Appell an uns, dieses Werk weiterzuführen.

Er hatte ein Herz für die Kleinen und Marginalisierten. Exemplarisch dafür, wenn auch kaum im kollektiven Gedächtnis dieser Stadt haften geblieben, sein Einsatz für die Wagenburg am Engelbecken Mitte der neunziger Jahre. Der Kardinal schweigend im Schlamm auf dem Platz an der Seite der Wagenburgler, die gerade geräumt werden.

Laute Medienpräsenz war nicht sein Metier, leibhaftig Solidarität zu zeigen dagegen schon eher. Er ging hin und nahm auf Konventionen kaum Rücksicht. So auch 2008 bei der Verabschiedung von Theodor Clemens, Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine. Sterzinsky kam zum Gottesdienst in den Rixdorfer Kirchensaal an einem Sonntagmorgen (!), vorzeitig zurückgereist vom Katholikentag in Osnabrück, auf dessen Abschlussgottesdienst er verzichtete. Er suchte nicht die große Bühne, sondern den nachhaltigen Effekt.

Dass die Katholiken – global eher ein schwieriger Partner in der Ökumene – bei den Kirchen in Berlin und Brandenburg als verlässlicher Bündnispartner gelten, ist entscheidend sein Verdienst. Im Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg, dessen Vorsitzender er von 1997 bis 2003 war, genoss er höchstes Ansehen.

Für die Finanzkrise, die 2003 über das Erzbistum hereinbrach, hat er Verantwortung übernommen und sich entschuldigt. Diese Demut ehrt ihn. Er kannte keine Berührungsängste mit Andersdenkenden, auch nicht mit ideologischen Weltanschauungsgegnern, wenn es um die gerechte Sache ging. Im Frühjahr 2010 trat er zusammen mit Frank Bsirske sowie Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen in öffentlicher Veranstaltung der Gewerkschaft ver.di „Für eine Zukunft ohne Atomwaffen“ ein. Im August 2009 traf er sich mit Lothar Bisky, damals Parteivorsitzender DIE LINKE, zum Sommergespräch am Teupitzer See.

Georg Kardinal Sterzinsky, hochbelesen und gebildet, war vermutlich für die zentrale Herausforderung einer Kirche in säkularer Gesellschaft, nämlich angstfrei und wertschätzend den Dialog mit den Anderen zu führen, spirituell und intellektuell besser aufgestellt, als viele in unserer Kirche, die ängstlich den „Heiligen Rest“ schützen wollen.

Deshalb wird er uns fehlen und deshalb werden wir ihn vermissen.

Wolfgang Klose
Vorsitzender

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