Wie entwickelt sich die Diaspora in Ihrem Bistum und wie reagieren Sie darauf mit Blick auf das Auftreten der Kirche in der Öffentlichkeit?
Als Kirche in der Diaspora versuchen wir immer wieder neu, auch in der Zerstreuung Begegnung und Versammlung möglich zu machen. Wir können dabei nicht warten, bis jemand kommt und uns findet, wir müssen uns mit Strahlkraft zeigen. Das ist auch mein Hauptanliegen für die Neugestaltung der Sankt Hedwigs-Kathedrale, sie muss so attraktiv und einladend werden, dass möglichst wenige an ihr vorbeigehen, sondern einkehren und hoffentlich verweilen. Wenn wir wahrgenommen werden wollen, müssen wir zudem dahin gehen, wo die Menschen sind, zum Beispiel mit unserer Aktion „Friedhofsgeflüster“, ein Gesprächsangebot gerade für die vielen Menschen, die auf den Friedhof gehen, meistens ohne die Hoffnung auf Leben nach dem Tode.Und wir mischen uns anwaltlich in gesellschaftliche Debatten ein, etwa in die Frage um Suizidassistenz, oder wir helfen ganz konkret, etwa wenn Geflüchtete aus der Ukraine zu uns kommen, oder wenn Menschen nicht wissen, wie sie ihre Gasrechnung bezahlen sollen.Von großer Bedeutung sind in diesem unserem Sendungsauftrag auch unsere Kitas, Schulen und Krankenhäuser, die einen guten Ruf haben und gesellschaftlich relevant sind.
Wie gelingt es immer wieder, das christliche Zeugnis im Erzbistum Berlin auch mal „ums Eck“ zu tragen?
Es geht darum, sich immer wieder von den Menschen, mit denen wir zusammenleben, überraschen zu lassen und sie selbst als Kirche zu überraschen. Auch wenn es – durch Missbrauchsskandal etc. – aus berechtigten Gründen schwerer geworden ist, kann es gelingen, Kirche positiv erfahrbar zu machen. Wenn man jemandem ernsthaft zuhört oder einen Ort voller Atmosphäre anbietet, um eine Kerze anzuzünden, oder das Caritas-Motto „Not sehen und handeln“ aufgreift – ohne Ansehen von Konfession oder Religion.
„Mit DIR zum WIR.“ ist das Leitwort zur aktuellen Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes. Wie können wir dieses WIR-Gefühl in unserer heutigen Gesellschaft wiederfinden und stärken?
Ukrainekrieg, Klimakrise, Energiekrise und viele seelische Überforderungen, wir müssen im bevorstehenden Winter sehr gut aufeinander achten. Denn all diese Krisen bedrohen unser WIR in dramatischer Weise. Für uns als Kirche heißt das, um ein größeres WIR zu werben, dazu einzuladen und ein Miteinander zu ermöglichen. Es geht nicht darum, sich gegeneinander zu profilieren, sondern sich zu solidarisieren und für den Zusammenhalt zu werben.- Was bedeutet das Leitwort für Sie persönlich?
„Mit DIR zum WIR“ spricht mich sehr an, auch weil es unseren Ausgangspunkt als Christen und als Kirche deutlich macht. Das WIR, das Sakrament der Sammlung und der Sendung in der Eucharistie um den, der mit DIR gemeint ist, um den mit uns lebenden, uns stärkenden und herausfordernden Christus. Er ist Ziel und Quelle all unserer Anstrengungen. Ohne ihn wären wir nur „dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke“. Damit kann man vielleicht Aufmerksamkeit erregen, aber keine Nachhaltigkeit erzielen.
Am 20. November ist Diaspora-Sonntag. Was wünschen Sie sich zu diesem besonderen Tag der Solidarität?
Als Kirche in der Diaspora ist es für uns ein besonderer Tag der Solidarität. Wir wissen voller Dankbarkeit, dass wir mehr Unterstützung vom Bonifatiuswerk erhalten, als wir durch die Kollekte in unseren Gemeinden erlösen, daher ist der Diasporasonntag ein Tag der Dankbarkeit. Gleichzeitig bestärkt uns dieser Tag, mit der Hilfe des Bonifatiuswerkes unsere spezifische Berufung als Christen und Kirche in der Diaspora anzunehmen und unsere Sendung erfüllen.