Staatsspitze und Religionsgemeinschaften vereint bei Mahnwache

Berlin (KNA) Mit einer Kranzniederlegung und einer Mahnwache haben die Spitzen von Staat, Zivilgesellschaft und Religionsgemeinschaften am Dienstagabend am Brandenburger Tor der Opfer der Terroranschläge von Frankreich gedacht. Bundespräsident Joachim Gauck rief zu Geschlossenheit und Besonnenheit beim Eintreten für Freiheit und Demokratie auf. Die "übergroße Mehrheit der Muslime fühlt sich der offenen Gesellschaft zugehörig, schätzt ihre Möglichkeiten und ihre Werte", betonte Gauck. "Wir alle sind Deutschland", so Gauck. Der Bundespräsident verurteilte Fundamentalismus als eine "Pervertierung von Religion".

Zur Mahnwache "für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland und für Meinungs- und Religionsfreiheit" hatten der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) und die Türkische Gemeinde Berlin (TGB) eingeladen. Nach dem Vortrag von Koranversen durch einen Imam gedachten etwa 4.000 Teilnehmer auf dem Pariser Platz in einer Schweigeminute der Opfer des Terrors. An der Veranstaltung nahmen Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), Spitzenvertreter aller Bundestagsparteien sowie Repräsentanten von Muslimen, Christen und Juden teil. Zum Zeichen der Verbundenheit traten abschließend alle untergehakt an den Rand der Bühne.

Der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek sprach im Namen der Vertreter aller muslimischen Verbände den Terroropfern und ihren Hinterbliebenen seine Anteilnahme aus. "Wer einen Menschen ermordet, tötet die gesamte Menschheit", zitierte er den Koran. Die Terroristen hätten mit ihrer Tat "die größte Gotteslästerung begangen". Sie hätten "den Islam verraten und seine Prinzipien in den Schmutz gezogen", betonte Mazyek, und: "Wir werden nicht zulassen, dass unser Glaube missbraucht wird." Zugleich hob er die Zugehörigkeit der Muslime zu Deutschland und ihre Verantwortung für ein offene Gesellschaft hervor. "Uns eint, dass wir der Gewalt und Intoleranz entgegentreten. Wir alle sind Deutschland."

Als Vertreter der katholischen Kirche betonte der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich: "Bei allem, was die Religionen trennen mag - es eint uns der Wille, uns nicht gegeneinander aufbringen zu lassen." Zugleich stellten sich "Fragen - nicht nur an die muslimischen Gemeinschaften, sondern letztlich an uns alle". Denn die Täter von Paris seien in Frankreich aufgewachsen. Von dort und aus anderen europäischen Ländern zögen junge Muslime nach Syrien und in den Irak, um Krieg zu führen. Obwohl sich in die Antwortversuche viel Ratlosigkeit mische, so Weihbischof Heinrich, dürfe niemand diesen Fragen ausweichen.

Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sagte der Berliner Bischof Markus Dröge, die Botschaft der Religionen sei klar: "Juden, Christen und Muslime sagen gemeinsam Nein zu jeder Gewalt, zu jedem Terror im Namen des Glaubens an Gott." Der Dialog der Religionen werde nach den Gewalttaten von Paris voller Überzeugung vorangetrieben. "Echter Glaube an Gott führt zum Frieden und zur Überwindung von Spaltung", sagte Dröge.

Der Vizepräsident des Zentralrates der Juden, Abraham Lehrer, appellierte an die Muslime, gegen eine Radikalisierung des Islam vorzugehen. Zugleich erinnerte er an Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Europa. Durch die Morde in Frankreich sei auch die "Verunsicherung der Juden in Deutschland größer". Der wichtigste Schutz sei "unser Zusammenhalt quer durch die ganze Gesellschaft".

 

Rede Weihbischof Heinrich auf der Mahnwache