Karneval am Ort des Erschreckens?

Mittlerweile muss ich schmunzeln, wenn ich in Berlin gefragt werde, warum ich so gerne Karneval feiere. Vor allem weil ich mittlerweile weiß, dass die Berliner auch Karneval feiern können. Gut, das heißt dann zwar oft „Fasching“, kann sich aber auch sehen lassen.

In diesem Jahr scheint allerdings Karneval – oder Fasching – besonders schwer zu platzieren zu sein. Denn morgen sind es genau zwei Monate her, dass der schreckliche Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zwölf Menschenleben gefordert hat, viele wurden – zum Teil schwer – verletzt.

Und morgen zieht der Berliner Karnevalszug genau an dieser Stelle vorbei, sogar mit meinem Segen. Denn Karneval ist keinesfalls ein betäubendes Schmerzmittel, das alle Trauer dämpfen und übertönen soll. Karneval ist eine Entgegnung. Unser Lachen, unsere Verkleidung, unsere Narrenkappen, all das stellen wir dem Bösen, dem Schlechten, dem Leid und der Trauer entgegen.

Zudem ist das Lachen wie das Weinen Ausdruck eines tief empfindenden und mitfühlenden Herzens des Menschen. Der große Clown Grock hat deshalb recht, wenn er feststellt: „Lachen und Weinen sind erst das ganze Herz des Menschen“ oder Charlie Chaplin, wenn er sagt: „Auf dem Grund des Lächelns schwimmt immer eine Träne“.

Es versteht sich von selbst, dass der Berliner Karnevalszug morgen beim Vorbeiziehen an der Gedächtniskirche schweigt. Am Ort des Anschlags erinnern Kerzen und Blumen daran, dass Erschrecken und Trauer nach wie vor nicht einfach vorbei sind. Wir werden noch lange damit zu tun haben. Wir dürfen weinen und trauern, aber wir dürfen uns auch jetzt über vieles dankbar freuen und über manches von Herzen lachen, sonst hätte der Anschlag uns unser Herz geraubt .Oder, wie es in einer Büttenrede heißt:

„Allenthalben wissen wir:
Nur der Mensch lacht, nicht das Tier.
Nur des Menschen Angesicht
hat die Fähigkeit,
das Licht froher Herzensheiterkeit,
inniger Glückseligkeit
wie auch dunkler Schmerzensqualen
an den Nächsten auszustrahlen.
Wer nicht lachen, weinen kann,
dieser Mensch ist sehr arm dran .“

 

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