Berlin (KNA) Ein Franziskus-Gemälde ziert das Büro von Pater Georg Maria Roers. Kein ungewöhnliches Thema für einen Künstlerseelsorger, der wie der Jesuit für das Erzbistum Berlin die Kontakte zur Kulturszene pflegt. Und doch ist das Werk des in Berlin lebenden US-Künstlers Peter Wilde ungewöhnlich in seinen verwegenen Variationen des immer gleichen Papstporträts.
Der verdutzte Blick des Besuchers freut den katholischen Kunst- und Kulturbeauftragten. "Für diesen Job ist die absolute Voraussetzung, ein Bild ohne Scheuklappen zu betrachten", erklärt er in seinem würfelartigen Büro bei der Katholischen Akademie in Berlin, dem "catholic cube". Gleichzeitig ist Roers in seinem Metier bewandert genug, um zu wissen: Unbefangenheit gibt es nicht. Jeder Blick ist subjektiv.
Nach Jahren als Künstlerseelsorger in München agiert der 51-Jährige nun seit über drei Jahren in einem preußisch-protestantisch geprägten Umfeld. Spätestens seit den "Goldenen Zwanzigern" steht Berlin in dem Ruf, die jeweilige künstlerische Avantgarde zu protegieren. Es müsste ein Hürdenlauf sein: Ein katholischer Ordensmann, dessen Kirche nicht gerade für Libertinage, Experimentierfreude und Anarchie steht, will etwas zusammenbringen, das nach Meinung vieler eigentlich gar nicht zusammen gehört.
Doch gerade das ist die Herausforderung, die den Jesuiten reizen. Neugier und Gelassenheit zugleich hält er für die herausragenden Tugenden seines Ordens: "Es hat uns immer schon ausgezeichnet, neue Länder und andere Kulturen zu erkunden, Grenzen zu überschreiten. Dabei hilft uns die Achtung vor Andersdenkenden und der lebenslange Impuls, sich ständig weiterzubilden zu wollen."
Bei seiner Arbeit lässt er sich von dem bekannten Theologen Karl Rahner (1904-1984) leiten, der ebenfalls Jesuit war: "Der Fromme von Morgen wird ein Mystiker sein, oder er wird gar nicht mehr sein." Spiritualität wird nach fester Überzeugung von Roers in Kunst und Religion in Zukunft eine weit größere Rolle spielen als bislang: "Künstler sind doch Seismografen der Gesellschaft. Und gerade als katholische Kirche, die wir eine solch große Kultur im Rücken haben, sind wir darauf angewiesen, die Beben in der Gesellschaft rechtzeitig zu erkennen." Dazu passt für Roers das Phänomen, das er in Gesprächen mit seiner Künstlergemeinde bemerkt haben will: Die Religionen sind wieder im Kommen, zumindest als Gefühlszustand.
Auch negative Gefühle gegenüber Religion haben in der Kunst ihre Geschichte. Ob es ihn nicht kränkt, wenn die Kunst seinen Glauben beleidigt? Die Frage bringt den Theologen und Philosophen vom Niederrhein, der auch Germanistik und Kunstgeschichte studierte, nicht aus der Ruhe. "Ich sehe darin eher eine wechselseitige produktive Anregung, die es in der reichen katholischen Kunstgeschichte immer gab."
Er verweist auf den britischen Maler Francis Bacon (1909-1992), der den Papst in seinen Bildern verzerrte. Den "gekreuzigten Frosch", eine höchst umstrittene Skulptur von Martin Kippenberger (1953-1997), versteht er nicht als Gotteslästerung, sondern als Kritik der Serienproduktion bei den Oberammergauer Passionsspielen. Allerdings würde Roers selbst nicht so weit gehen, seine sonntägliche Gottesdienstgemeinde in seiner Galerie oder bei mitkonzipierten Ausstellungen mit blasphemischer Kunst vor den Kopf zu stoßen.
Als Künstler versteht sich der Jesuit auch selbst. So hat er bislang fünf Lyrikbände herausgegeben. Dort verdichtet er, was er "erfährt, wenn er das Leben Jesu anschaut" oder die Kultur, in der er lebt. Es ist auch eine Form einer geistlichen Übung, die für ihn unverzichtbar ist.