Berlin. Sie stand in der Kapelle der französischen Könige im alten St. Petersdom, 1749 zog sie in die erste Kapelle des rechten Seitenschiffs des heutigen Petersdoms und seit 1978 ist sie sogar in der Berliner St. Hedwigskathedrale zu sehen: Die römische Pietà von Michelangelo.
Zugegeben: In Berlin steht eine Replik. Wer das Original sehen will, kann sich auf der Bistumswallfahrt nach Rom einen Eindruck von der Fingerfertigkeit des jungen Künstlers verschaffen – Michelangelo war gerade mal Mitte 20 als er diese Pietà schuf. Zwar fiel sie Pfingstsonntag 1972 einem Attentat zum Opfer, doch schon Jahre zuvor gab es eine originalgetreue Kopie der Pietà. Sie diente bei der Restaurierung als Vorbild, an der auch deutsche Chemiker beteiligt waren. Chemiker restaurieren eine Statue? Ja, wo es möglich war, wurde die kostbare Gruppe zwar mit Originalfragmenten wieder hergestellt, doch wo das eben nicht mehr möglich war, half eine chemisch produzierte Paste aus dem Pulver des Originalmaterials Carrara-Marmor und Polyester-Harz. Und aus eben dieser Mischung ist auch die Pietà in Berlin.
Doch zunächst kam dieser Abguss nach Berlin-Dahlem. Dort wurde sie von Oktober 1977 bis Januar 1978 im Rahmen der Ausstellung „Kunst und Chemie – das Unersetzliche bewahren“ gezeigt, weil der Verband Chemischer Industrie Deutschlands sein 100-jähriges Bestehen feierte. Dass der Verband die ganze Pietà nachbilden durfte, gilt als Anerkennung des Vatikans, weil ja dank der Chemie genau das geschehen ist, was der Titel der Ausstellung aussagt: Etwas Unersetzliches wie das weltberühmte Meisterwerk der Hochrenaissance konnte erhalten bleiben.
Ein vatikanisches Kunstwerk in der DDR
Am 6. April 1978 fand diese Abformung schließlich einen würdigen Aufstellungsort in der Rosenkranzkapelle der Unterkirche der St. Hedwigskathedrale. So konnten auch Bürger der DDR ein Stück Rom in ihrer Hauptstadt erleben. Das St. Hedwigsblatt schrieb damals: „Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß diese berühmte Darstellung der Schmerzensmutter mit ihrem toten Sohn auch über den Kreis der katholischen Christen hinaus zu einem Anziehungspunkt wird.“ Eine nicht ganz unbegründete Vermutung. Denn seit dem Attentat steht die Pietà im Petersdom hinter einer Scheibe aus Panzerglas auf einem Podest und kann nur von unten und aus einiger Entfernung betrachtet werden. Heinrich Wölfflin bezeichnet diese Entscheidung in seinem Buch „Die klassische Kunst: eine Einführung in die italienische Renaissance“ als „barbarisch“, denn diese Aufstellung vermittele einen anderen Eindruck von der Statue als die eigentlich vorgesehene Betrachtung „auf Augenhöhe“, wie es in Berlin durchaus möglich ist. Hier steht sie nur auf einem niedrigen Podest.
„Maria krallt ihre Finger regelrecht in den Körper“
Im Petersdom kann der Betrachter beispielsweise nicht das Gesicht Jesu sehen und aus der Entfernung sind auch Details nicht zu erkennen. „Zum Beispiel, dass Maria ihre Finger regelrecht in den Körper ihres toten Sohnes krallt“, sagt Kathedralführerin Roswitha Sauer. Sie bekam als Kind mal ein Schwarz-Weiß-Bild der Pietà geschenkt. Die kleine Roswitha lag im Krankenhaus und der Krankenhausseelsorger schenkte ihr dieses Bild. „Das Gesicht der Muttergottes fand ich damals schon sehr tröstlich“, meint sie.
Trotz der vielleicht ungünstigen Aufstellung der Pietà im Petersdom, lohnt es sich auch in Rom die Gruppe anzusehen. Zum einen, weil nur dort das Original steht, an dem Michelangelo Buonarroti in den Jahren 1498 und 1499 arbeitete und weil eine weitere Kopie in den Vatikanischen Museen ebenerdig steht und somit auch sehr gut zu bewundern ist.