Wie oft habe ich bereits über Weihnachten gepredigt, gesprochen, nachgedacht. Ist da nicht mittlerweile alles zum hundertsten Mal gesagt? Wahrscheinlich schon. Und doch ist dieses Ereignis der Christnacht so anders, so unvorstellbar, dass ich jedes Jahr aufs Neue ins Staunen gerate.
Gott schenkt uns seinen Sohn und damit sich selbst, weil er bei uns sein möchte. Er ist keiner, der unerreichbar über allem thront, der alles in der Hand hält und den man sich kaum wagt anzusprechen. Nein, mit diesem Kind in der Krippe wird Gott konkret. Er wird einer von uns und lädt uns ein, ihm – so wie er als Mensch gelebt hat, nachzueifern.
Ich finde wir können bereits von den Geburtsumständen viel lernen. In dieser „Heiligen Nacht“ ist nichts problemlos feierlich. Die Herbergssuche stellt sich so kompliziert dar, wie aktuell das Finden einer bezahlbaren Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Schöneberg, und am Ende ist es ein kleiner, kalter Stall außerhalb von Bethlehem.
Gott kommt und wird Teil einer Welt, die nicht perfekt ist. Wie unser Leben, wo vieles unperfekt und bruchstückhaft ist. Die Geschichten in den Evangelien erzählen allerdings davon, wie Jesus in dieser nicht perfekten Welt lebt und wirkt. Wie er versucht unseren Blick zu schärfen, um uns eine Ahnung davon zu geben, wie Gottes Reich aussieht.
Wenn ich an die Geschichten in der Bibel denke, wird mir klar: Gott hat immer einen Blick übrig für die, die sonst übersehen werden. Die Alten, Kranken, die Verzweifelten und Verstoßenen, die Vergessenen und die, die ihr Licht unter den Scheffel stellen. Viele Menschen geraten in unserem Alltag aus dem Blickfeld, ob wir es wollen oder nicht. Und auch an Weihnachten, an diesem Heiligen Abend, können wir nur so selig und froh mit unseren Liebsten um den Tannenbaum herum sitzen, weil wir wissen, dass da Leute sind, die im schlimmsten Fall für uns da wären. Deren Da-Sein für uns scheinbar selbstverständlich ist.
Feuerwehrleute für den Fall, dass der Baum brennt, Polizisten, Ärzte und Krankenpflegerinnen, falls es – Gott behüte – einen Unfall geben sollte, S-Bahnfahrer, um überhaupt zur Verwandtschaft zu kommen und viele, viele mehr.
Ihnen allen gilt heute Abend mein besonderer Dank und Gruß.
Und wenn ich mir an einem solchen Heiligen Abend etwas wünschen darf, dann wäre es, dass wir den Blick für unsere Nächsten nicht verlieren. Es ist der Blick Gottes, der Mensch für alle Menschen wurde. Der bei uns sein möchte, weil er sich um uns sorgt und uns das Leben in Fülle schenken will.
Ich wünsche Ihnen eine frohe und gesegnete Weihnacht!