„Hochschulsystem unterfinanziert“Ralf-Bruno Zimmermann fordert im Interview mehr staatliche Zuschüsse

Die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) bietet künftig einen neuen Studiengang an: Soziale Gerontologie. Der Senat hat grünes Licht gegeben, erklärt Ralf-Bruno Zimmermann, der als neuer KHSB-Präsident seit rund 100 Tagen im Amt ist. Das Hochschulsystem sei unterfinanziert, mahnt er im Interview. Wenn Deutschland sein Niveau halten wolle, bedürfe es „dringend weiterer staatlicher Zuschüsse“.

Viele Verantwortliche klagen über die unzureichende Hochschulfinanzierung. Wie steht es um die Finanzierung der KHSB?

Es ist eine Tatsache, dass unser Hochschulsystem unterfinanziert ist. Die Studierendenzahlen haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen, zudem die vielfältigen Aufgaben, die Hochschulen zusätzlich übernehmen. Wenn man in Deutschland auf diesem Niveau weiterarbeiten möchte, bedarf es dringend weiterer staatlicher Zuschüsse. Als staatlich anerkannte Hochschule in kirchlicher Trägerschaft werden wir maßgeblich vom Berliner Senat finanziert, das betritt zum Beispiel einen großen Teil der Personalkosten. Ein nicht unbedeutender Teil kommt darüber hinaus vom Erzbistum – es sind also Kirchensteuermittel. Die von uns eingeworbenen Drittmittel für Forschungsprojekte fließen fast ausschließlich wieder in die Projekte, abzüglich der Verwaltungskosten.

Warum sollte die Kirche eine Hochschule wie die KHSB mitfanzieren?

Ich halte es für einen primären katholischen Auftrag junge Menschen aller Weltanschauungen und Glaubensrichtungen für die professionelle Arbeit im Sozial- und Gesundheitswesen auf hohem Niveau auszubilden. Diese Sozialprofessionellen können dann Menschen in Not unterstützen und an vielen Stellen helfen, unsere Welt gerechter zu machen. In vielen kirchlichen Einrichtungen, etwa der Caritas, sind unsere Absolventen später tätig und sie prägen damit auch die kirchliche Landschaft im diakonischen Arbeitsfeld.

Arbeiten Sie mit ihrem Lehrkörper von 35 Professoren und 1400 Studenten auf diesem recht großzügigen Gelände des ehemaligen St. Antonius Krankenhauses schon am Limit oder ist ein weiterer Ausbau des Lehrangebotes geplant?

Wir sind in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen und haben hier nur noch wenige Räume, die wir noch renovieren könnten. Insofern sind wir mit der Zahl unserer Studenten schon fast an einem Limit, wo es gut überlegt sein muss, ob es sinnvoll ist, jene Studiengänge, die wir haben, auszubauen oder eine Vergrößerung mit neuen Profilen anzustreben.

Gibt es bereits konkrete Vorhaben?

Durch die Berliner Senatsverwaltung haben wir gerade die Zusage für einen neuen Studiengang „Bachelor soziale Gerontologie“ erhalten, um die demografischen Herausforderungen stärker aufgreifen zu können. Hier wird es um alte und hochbetagte Menschen mit Assistenzbedarf gehen, wo wir als kirchliche Hochschule einen klaren Akzent setzen, zum Beispiel bei Menschen mit Demenz oder im Sterbeprozess, so dass Hospiz- oder Palliativthemen hier eine große Rolle spielen werden. Wir müssen als Hochschule die gesellschaftlichen Transformationsprozesse reflektieren und mit „passenden“ Angeboten in Lehre und Weiterbildung abbilden – der demografische Wandel unserer Gesellschaft ist zweifellos eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Gleichzeitig führt die Globalisierung zu einer Verarmung breiter Bevölkerungsschichten beziehungsweise Regionen, zu neuen Spannungsherden und stark ansteigenden Migrations- und Flüchtlingsbewegungen.

Zwar ist die Berliner katholische Hochschule noch recht jung. Aber sie kann auf Traditionen verweisen, die einerseits mit dem Ort zusammenhängen – das ehemalige St. Antonius Krankenhaus – anderseits mit Menschen, wie dem bekannten Strahlentherapeuten Paul Lazarus, einstiger Gründungsdirektor und ärztlicher Leiter, der hier bis zu seinem Berufsverbot durch die Nazis und Emigration in die Schweiz wirkte. Was bedeutet das für Sie?

Durch Paul Lazarus, den wir hier kürzlich mit einem wissenschaftlichen Symposium im Beisein seiner Nachfahren würdigten, wurde uns die Betrachtung der Patienten auf seine Ganzheitlichkeit als Menschen mitgegeben. Wir haben mit einem unserer Profile, nämlich der gesundheitsorientierten Sozialen Arbeit durchaus ein Alleinstellungsmerkmal und stehen hier in der Tradition der kirchlichen Sozialen Arbeit. Wir schauen auf die Menschen als ganze Wesen: mit ihrer Spiritualität, ihren seelischen Befindlichkeiten sowie in ihrem sozialen Gefüge und Netzwerken, selbstverständlich auch mit ihrer Körperlichkeit. Das zu lehren und zu lernen kommt in der heutigen medizinischen Versorgung oft zu kurz. So wie bei Dr. Lazarus kommt diese Haltung auch für mich aus einer tiefen, religiösen Überzeugung.