Am Sonntag, 26. August 2018 findet die jährliche Kollekte für weltkirchliche Aufgaben im Erzbistum Berlin statt. Was beispielsweise damit unterstützt wird, berichtet Jeya Cornelis, Mitglied des Sachausschusses „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ mit einem Blick nach Sri Lanka.
Von 1983 bis 2009 herrschte dort ein grausamer Bürgerkrieg. Wie fast überall auf der Welt war die Zivilbevölkerung die Hauptleidtragende des zermürbenden Konfliktes zwischen nationaler Armee und tamilischer Autonomiebewegung. Der kriegerischen Auseinandersetzung vorausgegangen war eine zunehmende Ausgrenzung und Diskriminierung der tamilischen Minderheit durch die singhalesische Mehrheit bzw. die singhalesische Zentralregierung seit Erlangung der Unabhängigkeit von der englischen Kolonialmacht im Jahr 1948.
Die Erhebung des Buddhismus zur Staatsreligion, die Einführung des Singhalesischen als Amtssprache, ein ungerechtes Bildungssystem zu Lasten der Tamilen oder die zunehmende infrastrukturelle Benachteiligung der tamilischen Siedlungsgebiete führten schließlich zur gewaltsamen Eskalation des lange schwelenden ethnischen Konfliktes, der auf beiden Seiten über Jahrzehnte mit äußerster Brutalität geführt wurde.
2009 wurden die „Tamil Tiger“-Rebellen von der nationalen Armee besiegt. Der Bürgerkrieg war vorbei, und die Zivilbevölkerung, die als Binnenflüchtlinge überwiegend in Flüchtlingslagern lebte, hoffte auf Frieden und Normalität. Ein nationaler Versöhnungsprozess sollte angestrebt werden und die Menschen sollten Hoffnung und Startchancen für eine friedliche Zukunft erhalten.
Da die sozialen Strukturen in den Dörfern zerschlagen waren, stellte sich die Frage, wie man es schaffen kann, Beziehungen zwischen den Menschen aufzubauen, die seit Jahren/Jahrzehnten in Flüchtlingslagern gelebt hatten und sich nicht kannten; Kinder- und Jugendarbeit zu leisten, da Bildung der Schlüssel für den Aufbau ist. Wichtig war es auch die Frauen zu stützen, da viele in den Kriegsjahren ihre Männer, Väter und Söhne verloren hatten und nun allein für sich und ihre Kinder sorgen mussten.
So entstand die Idee ein Zentrum zu bauen für mehrere Dörfer mit vier katholischen Gemeinden. Von Anfang an sollte auch interreligiös gearbeitet werden, da viele Tamilen Hindus sind. Von Vorteil war, dass über die Projektegruppe Sri Lanka von Pax Christi Berlin seit 1986 Projektarbeit geleistet wurde und so Kontakte zum Bistum Jaffna bestanden. Pax Christi Berlin hatte einige kleinere Projekte für Kinder und Jugendliche und für Friedensarbeit im Bistum Jaffna unterstützt und begleitet.
Mit Hilfe des Erzbistums Berlin wurde 2010 mit dem Bau des Pastoral- und Sozialzentrums „Eluchiyaham“ begonnen und seitdem auch kontinuierlich mit einem jährlichen Zuschuss für die laufenden Kosten unterstützt. „Eluchiyaham“ bedeutet Aufbruch - und das sollte es für die Kinder, Jugendlichen, Frauen und Familien sein. Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach den langen Kriegsjahren, der Not, dem Elend und den Verlusten.
Viele Familien, die aus den Flüchtlingslagern nach Jahrzehnten in die zerstörten Dörfer zurückkehrten, lebten noch in provisorischen Hütten ohne Strom. Für die Kinder war das Zentrum ein Ort, an dem sie unbeschwert sein konnten, spielen, lernen, lachen, einfach Kind sein konnten. Für die Eltern war es der Ort, wo sie Chancen für ihre Kinder erhofften. Viele kamen, und es wurden immer mehr. Eluchiyaham musste erweitert werden, was mit Hilfe von Missio realisiert wurde. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen packten beim Ausbau mit an.
Inzwischen hat sich auch der Einzugsradius erweitert. Aus den ehemals vier Dörfern der Umgebung hat sich der Radius auf zehn Kilometer erweitert, obwohl die Infrastruktur immer noch nicht so gut ist. Es ist das einzige derartige Angebot für die Kinder und Jugendlichen im ganzen Distrikt.
Die Nachbarschaftsstrukturen und der soziale Zusammenhalt haben sich dadurch gut entwickelt, die Zielgruppen wurden erweitert von Kindern und Jugendlichen auch auf Frauen und ältere Menschen. Die Vernetzung mit anderen Angeboten im kirchlichen Bereich (Salesianer für Berufsausbildung von Jugendlichen) wurde genauso gefördert wie die Vernetzung mit staatlichen Angeboten. Für die Kinder und Jugendlichen gibt es Englisch- und Computerkurse, sinnvolle Beschäftigung mit Gleichaltrigen; Training für nationale Wettbewerbe (sprachlich, mathematisch, künstlerisch und sportlich). Einige Kinder von Eluchiyaham gewannen diese Wettbewerbe sowohl auf Provinz-, Distrikt- und nationaler Ebene. Dies stärkt nicht nur das Selbstvertrauen der Kinder, sondern auch die Eltern sind stolz auf ihre Kinder.
Die Lernschwächeren werden unterstützt. Schüler aus höheren Klassen bieten Förderunterricht an v.a. in den Grundfächern Tamil (Lesen/Schreiben) und Mathematik. Weiter wird angeboten, Singhalesisch zu lernen – ein wichtiger Beitrag zur Verständigung zwischen den Bevölkerungsgruppen und für Frieden und Versöhnung. In der Vorschule wurden 26 Kinder betreut und auf die Schule vorbereitet. Von der Regierungsbehörde wurde die Vorschule kontrolliert und als vorbildlich bewertet. Deshalb besteht die Hoffnung, dass mittelfristig auch ein staatlicher Zuschuss für die Vorschule gegeben werden könnte.
Frauen und Jugendliche werden in Kursen beruflich qualifiziert. Dieses Jahr nahmen 25 Frauen und Mädchen an einem Nähkurs teil. Einige hörten nach 5 Monaten auf, als die Kenntnisse für den Eigenbedarf ausreichten. 12 Teilnehmerinnen legten nach dem Kurs eine staatliche Prüfung ab und können damit eine eigene Existenz für sich aufbauen und sich und die Kinder selbst ernähren.
In der Jugendarbeit werden auch viele kulturelle Angebote gemacht für Gruppen wie südindischer Tanz, Musikangebote (Instrumente, Gesangsgruppen, Chor) Theater, Kurzfilmherstellung und sportliche Angebote. Weiter werden die kulturellen und religiösen Feste (auch interreligiöse Hindus/Christen) gemeinsam vorbereitet und gefeiert, z.B. Erntedankfest, Weihnachten, Ostern; Neujahr, Weltkindertag. Zudem gab es Seminare zu pastoralen Themen, aber auch zu Fragen der Persönlichkeitsentwicklung, zu Rechten von Frauen und Kindern, gegen Gewalt (besonders sexualisierte Gewalt), zur Drogenprävention usw.
Außerdem unternimmt Eluchiyaham Aktivitäten, um zu Frieden und Versöhnung beizutragen. Dazu gehört die Organisation von gegenseitigen Besuchen von Gruppen aus dem Norden und dem Süden des Landes, von singhalesischen und tamilischen katholischen Gemeinden, aber auch von buddhistischen Gruppen und Eluchiyaham.
Aus einem Samenkorn, das 2009 gepflanzt wurde, wurde mit Hilfe der kontinuierlichen Unterstützung aus dem Eine-Welt-Fonds des ErzbistumsBerlin ein Zentrum, das weit über die Region von Ilavalai/Bistum Jaffna hinaus bekannt ist und dort als Vorbild für Gemeindeentwicklung und Förderung von Kinder- und Jugendarbeit dient. 2017 nahmen mehr als 700 Personen an den verschiedenen Angeboten teil. Für die meisten Angebote zahlen die Teilnehmenden einen Eigenbeitrag. Eine hauptamtliche Mitarbeiterin, die – ebenso wie die laufenden Betriebskosten des Zentrums – aus dem Eine-Welt-Fonds des Erzbistums Berlins finanziert wird, organisiert die Programme mit Unterstützung von vier Honorarmitarbeiterinnen und über 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Inzwischen wird Eluchiyaham von vielen Gremien im staatlichen und kirchlichen Bereich als Beispiel für gelungene Gemeinwesenarbeit aufgeführt. Viele überlegen, wie man ähnliche Zentren nach diesem Vorbild anderswo aufbauen könnte.
In den letzten Jahren wurde das Zentrum mehrfach von Personen aus dem Erzbistum Berlin besucht, die von Eluchiyaham erfahren hatten und sich selbst einen Eindruck verschaffen wollten. Alle waren begeistert von dem Zentrum und die Kinder und Jugendlichen freuten sich ebenso wie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Eluchiyaham und alle umliegenden Dörfer über das Interesse und die Besuche. Die Kinder und Jugendlichen hatten so Gelegenheit den Gästen aus dem Ausland zu zeigen, was sie alles in dem Zentrum machen und was sie bereits gelernt hatten. Zuletzt haben im Mai sechs Personen aus dem Erzbistum Berlin dort einige Tage verbracht.
Am Haus von Eluchiyaham ist eine Gedenktafel, auf der dem Erzbistum Berlin für die Unterstützung gedankt wird. Die Menschen vor Ort wissen, dass es ohne die Unterstützung aus dem Eine-Welt-Fonds nicht möglich gewesen wäre, dieses Zentrum auszubauen. In den Gesprächen mit den Menschen im Zentrum und mit Vertretern der katholischen Kirche wurde immer wieder geäußert, wie dankbar sie dem Erzbistum Berlin sind, dass sie die Menschen im Bistum Jaffna seit vielen Jahren unterstützen und helfen, die Kriegsfolgen zu überwinden. Es wurde auch die Hoffnung ausgesprochen, dass das Erzbistum Berlins auch in Zukunft die wichtige Arbeit im Bistum Jaffna aus dem Eine-Welt-Fonds unterstützen wird.