„Basierend auf der persönlichen Geschichte der Regisseurin“, dieser Satz im Vorspann eines Films macht mich skeptisch. Denn immer wieder wird ein solcher oder ähnlicher Satz als Entschuldigung genommen für eine schlechtes Drehbuch. Auch die Konstellation des Films HOPE scheint allzu konstruiert: Wenige Tage vor Weihnachten erfährt Anja (43, Andrea Bræin Hovig), eine erfolgreiche Ballett-Choreografin, dass sie Krebs-Metastasen im Gehirn und nur noch wenige Tage zu leben hat. Zunächst möchte sie – auch für die zahlreichen Kindern ihrer Patchwork-Familie – den Schein waren und – ein letztes? – Weihnachtsfest feiern, mit Schwiegervater, Baumschmücken, Lieder singen und festlichem Gelage. Gleichzeitig will sie sich auch mit ihrem eigenbrötlerischen Partner Tomas (59, Stellan Skarsgård) wieder zusammenraufen. Beide haben allzu lange ihr eigenes Leben und eher aneinander vorbei gelebt. Und – so viel sei verraten – an Silvester stoßen sie nicht nur auf das neue Jahr, sondern auch auf ihre Ehe an. Denn – zunächst vermutlich nur aus Mitleid – Tomas lässt sich auf eine erneute Annäherung ein.
Und trotzdem ist HOPE jetzt schon ein guter Weihnachtsfilm. Denn die titelgebende Hoffnung ist nicht weltfremde, jenseitsgewandte Träumerei, die Hoffnung ist nicht in der Büchse der Pandora steckengeblieben. Sie ist eine starke gestaltende Kraft, auch wenn sie noch so klein ist. An den Fingern einer Hand – so der behandelnde Arzt – könne er die Patienten abzählen, die von einer vergleichbaren Krankheit genesen sind.
Und: Ob Rituale tragen, zeigt sich nur, wenn man sie belastet. Anja jedenfalls tragen die Vorbereitungen auf und die Feier des Weihnachtsfestes selbst. Ihre Familie, von denen jedes Familienmitglied seine eigenen Probleme hat, ist Teil des Netzes, das sie hält. Und das, ohne die Probleme in Luft aufzulösen. Auch die Beziehung, von der anfangs nur eine Erinnerung an bessere, liebevollere Zeiten war, wächst an der Belastung.
„Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; / doch am größten unter ihnen ist die Liebe“, schreibt Paulus in der vielleicht berühmtesten Lesung aus dem Korintherbrief. Vielleicht könnte Regisseurin Maria Sødahl das sogar unterschreiben. Ihr Film ist aber ein beeindruckendes Statement über den Glauben an die Hoffnung, die die Liebe erst ermöglicht.
Dass das Ganze jetzt nicht kitschig oder melodramatisch wird, liegt zu einem großen Teil an den beiden großartigen Hauptdarstellern Andrea Bræin Hovig und Stellan Skarsgård. Als das Paar, dem seine Liebe „plötzlich abhanden“ kam, wie es bei Erich Kästner heißt, muten sie sich einander mit all ihren Schrullen, Einschränkungen, ihrer schlechten Laune und ihrer Verzweiflung zu.
Und so wird der Satz vom Anfang „basierend auf der persönlichen Geschichte der Regisseurin“ zum vielleicht größten Hoffnungszeichen.
Auch wenn der christliche Charakter von Weihnachten nur am Rande durchscheint, wenn der gemeinsame Kirchgang eher eingeübtes Ritual als innere Überzeugung ist und wenn die Regisseurin beim Stichwort Hoffnung sicherlich nicht an Paulus und eine spezifisch christliche Hoffnung gedacht hat, so ist HOPE dennoch auch mit der christlichen Brille ein ganz besonderer Weihnachtsfilm.