Berlin (KNA) Lutherdekade, Kathedralumbau, illegaler Kunsthandel: Das Themenspektrum von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ist breit. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin hob sie am Mittwoch die gesellschaftspolitische Bedeutung der Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin hervor und versprach einen besseren Schutz von Kulturgütern.
KNA: Frau Staatsministerin Grütters, der Bund engagiert sich für das Reformationsjubiläum 2017. Die Lutherdekade läuft seit mehreren Jahren. Entspricht sie Ihren Erwartungen?
Grütters: Ich glaube, durch die Vielzahl an Projekten wächst in der Bevölkerung langsam das Bewusstsein für die Bedeutung der Reformation für die Kulturnation Deutschland, für die Sprache, die Musik oder das Verständnis des Individuums in unserer heutigen Zeit. Ich halte eine ehrliche Auseinandersetzung mit Luther, die auch die Brüche nicht verschweigt, für sehr wichtig. Es ist keine einfache Aufgabe, solch ein Thema anschaulich zu machen, über die Renovierung der einschlägigen Lutherorte hinaus.
KNA: Wo sehen Sie Defizite?
Grütters: Die weltweite Dimension der Reformation könnte stärker betont werden. Ich gehe davon aus, dass dieser wichtige Aspekt mit dem kommenden Themenjahr "Reformation und die Eine Welt" deutlicher ins Blickfeld gerät.
KNA: Und wie sieht die engagierte Katholikin Grütters das bisherige Gedenken?
Grütters: Mir liegt der ökumenische Aspekt besonders am Herzen, was sich auch bei der Auswahl einiger Projekte für die Förderungen aus meinem Haushalt niederschlägt. Ich beobachte, dass die beiden großen Kirchen hier erkennbar aufeinander zugehen - aber da gibt es noch Spielraum...
KNA: Die katholische Bischofskonferenz strebt eine größere Präsenz in der Hauptstadt an. Dazu gehört auch die geplante Umgestaltung der Sankt-Hedwigs-Kathedrale.
Grütters: Sie ist das sichtbarste Zeichen der Präsenz der katholischen Kirche in Berlin, auch gesellschaftspolitisch. Es ist traurig, wie diese Kirche über Jahrzehnte vernachlässigt wurde. Umso dankbarer bin ich Kardinal Rainer Maria Woelki, der trotz der absehbaren Schwierigkeiten beherzt die Initiative ergriff.
KNA: Wie bewerten Sie die Vorbehalte des Denkmalschutzes?
Grütters: Die gilt es selbstverständlich zu respektieren. Aber die Kathedrale ist kein Museum, sondern ein lebendiger Kulturort. So muss das Gotteshaus architektonisch den Wandel durch das Zweite Vatikanische Konzil nachvollziehen. Aus der Sicht eines Kirchmitglieds wiegt dieses "liturgische Argument" sicherlich schwerer als denkmalpflegerische Aspekte und der berechtigte Wunsch nach einem repräsentativen Ort für den Katholizismus in der Weltstadt Berlin.
KNA: Wird sich der Bund an einer Renovierung finanziell beteiligen?
Grütters: An der nationalen Bedeutung der Hedwigs-Kathedrale besteht kein Zweifel. Bei aller Trennung von Kirche und Staat steht der Bund den Plänen aufgeschlossen gegenüber. Der Bund wird entsprechende Anträge selbstverständlich prüfen.
KNA: Welche Rolle hat das Erzbistum aus bundespolitischer Sicht?
Grütters: Berlin ist kein Bistum wie jedes andere. Ein Bischof ist hier nicht nur der geistliche Oberhirte, sondern unmittelbarer Bezugspunkt für Politik und Medien: vom interreligiösen Dialog über die Gesellschaftspolitik bis zur Repräsentanz bei wichtigen Anlässen. Kardinal Woelki hat es als Berliner Erzbischof hervorragend verstanden, den politischen Diskurs aus seiner Rolle heraus zu führen. Eine solche Begabung wünsche ich mir auch für den Nachfolger.
KNA: Als Staatsministerin sehen Sie sich dem Schutz der Kulturgüter verpflichtet. Dazu planen Sie eine Novelle gegen illegalen Handel. Wo sehen Sie über das Gesetz von 2007 hinaus Regelungsbedarf?
Grütters: Das Gesetz von 2007 hat sich als zahnloser Tiger erwiesen. In sieben Jahren hat es keine einzige Rückgabe einzelner Stücke an ausländische Staaten auf der Grundlage dieses Gesetzes gegeben, das ja eigentlich genau dafür geschaffen wurde. Wir brauchen hier neue Ein- und Ausfuhrregelungen für Kulturgut sowie klare Regelungen für Sorgfaltspflichten im Umgang mit diesen Kunstwerken.
KNA: Wie wollen Sie das künftig garantieren?
Grütters: Indem wir hier klare gesetzliche Regelungen schaffen: Einerseits wird es ein Einfuhrverbot für illegal gehandeltes Kulturgut und vereinfachte Rückgaberegelungen geben. Außerdem müssen wir unser eigenes Kulturgut besser vor Abwanderung ins Ausland schützen. Daher sollen die Ausfuhrregelungen angepasst werden. Die Museumsbestände in öffentlichen Sammlungen sollen künftig qua Gesetz unter Schutz gestellt werden. Es bedarf dann für öffentliche Sammlungen keiner Einzeleintragungen mehr. Diese wird es - wie schon seit 1955 - nur bei privatem Kulturgut geben.
KNA: Wie steht es um den Handel mit Raubkunst aus Syrien oder dem Irak, mit dem sich etwa die Terrormiliz "Islamischer Staat" finanziert?
Grütters: Bisher galt nur für Kunstwerke ein Einfuhrverbot, die auf einer entsprechenden Liste des Herkunftslandes standen. In Krisengebieten ist das überhaupt nicht handhabbar. Deshalb sollen nur noch jene Kulturgüter eingeführt werden dürfen, für die eine entsprechende Ausfuhrgenehmigung des Herkunftsstaates vorliegt. Für Kulturgut aus Irak und Syrien gilt im Übrigen schon jetzt aufgrund von EU-Recht ein striktes Ein- und Ausfuhr - sowie Handelsverbot.
KNA: Wann rechnen Sie mit der Verabschiedung?
Grütters: Wir wollen bis Juni einen Gesetzentwurf vorlegen, der dann in die parlamentarische Beratung geht. In der ersten Jahreshälfte 2016 könnte das Gesetz in Kraft treten.
KNA: Kritiker sehen den Schutz von Kultur durch das Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA gefährdet.
Grütters: Grundsätzlich befürworte ich TTIP. Die Chancen überwiegen bei weitem die Gefahren. Aber man muss sich bewusst sein, dass die amerikanische Tradition im Umgang mit Kultur eine ganz andere als unsere deutsche ist. Deshalb geht es bei TTIP nicht um das Ob, sondern um das Wie. Wir müssen für die Kultur Schutzklauseln nicht nur in die Präambel hineinverhandeln, sondern in alle Abschnitte, als Querschnittsthema. Gleiches gilt im Übrigen auch für den Medienbereich.
KNA: Durch das Erbeben in Nepal wurden zahlreiche Weltkulturerbe-Stätten zerstört. Es mehren sich Stimmen, die einen Wiederaufbau mit internationalen Mitteln fordern.
Grütters: Das ist eine gute Initiative! Die Diskussion zeigt, dass sich inzwischen ein kollektives Bewusstsein für das Menschheitserbe als Ganzes und seinen Schutz entwickelt hat - weit über die Fachwelt hinaus - im Sinne einer weltumspannenden Fürsorge. Das ist für mich ein ermutigendes Zeichen.