Eine Gruppe von acht Studierenden aus den katholischen Studierendengemeinden Berlin und Greifswald hat in der ersten Augustwoche an den Salzburger Hochschulwochen teilgenommen, begleitet von den Hauptamtlichen der Gemeinden. Diese traditionsreiche Sommeruniversität an der Theologischen Fakultät in Salzburg wendet sich an katholische Studierende und andere Interessierte aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Eine Studentin der KSG St. Edith Stein in Berlin berichtet von der Woche.
„Das Ziel der Salzburger Hochschulwochen ist es, ein universitäres Forum zu bilden, auf dem die Theologie gemeinsam mit allen anderen Wissenschaften gleichermaßen grundsätzliche wie aktuelle Fragestellungen und Probleme unserer Zeit aufgreift.“
So beschreibt die Homepage der Salzburger Hochschulwochen das Ziel dieser Woche, während derer wir dieses Jahr das Thema „Öffentlichkeiten“ aus verschiedenen Perspektiven betrachtet haben. Öffentlichkeiten als ein Raum der Begegnung zwischen Anderen und Anderem, als ein Ort, an dem zunächst keine Kontrolle, Beherrschung oder Bestimmung über das, was geschieht, möglich ist. Öffentlichkeiten als ein Wagnis, sich auf neue Begegnungsräume einzulassen, die Resonanzerfahrungen zulassen. So umschrieb der Soziologe Hartmut Rosa in seinem abschließenden Festvortrag eine mögliche Definition von „Öffentlichkeiten“.
Das Themenspektrum der Vorträge bekannter Theolog_innen, Wissenschaftler_innen, Unternehmer_innen sowie Journalist_innen reichte von philosophischen Gedanken zur Frage nach Wahrheit und Ideologie, über die Auswirkungen der neuen Medien auf unser Wohlbefinden, unsere Beziehungen sowie unsere Bildungssysteme, bis hin zur Frage nach der Realität unserer Pressefreiheit, sowie der Rolle der Kirche zwischen öffentlicher Wahrnehmung und strategischer Kommunikation, um nur einige Vortragsthemen zu nennen.
Zuhören als Chance
Wir Studierende näherten uns der Thematik im Laufe der Woche durch verschiedene Vorträge, Workshops und Diskussionen. Während vieler gemütlicher Runden in Salzburgs Biergärten kam der persönliche Austausch innerhalb der Gruppe aus Berlin und Greifswald dabei natürlich auch nicht zu kurz. Etwas unerwartet – hatten wir doch alle gedacht, die Hochschulwochen seien eine Veranstaltung „nur“ für Studierende – fanden wir uns in Salzburg angesichts vieler auch deutlich älterer Teilnehmer in einem Begegnungsraum zwischen den Generationen wieder, der mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema von medialen und nicht-medialen Öffentlichkeiten einher ging.
Zu Beginn der Woche besuchte ich einen Vortrag zum Thema „Digitale Depression. Survival-Tipps für die moderne Medienwelt“, indem es um die Auswirkungen von medialen Öffentlichkeiten auf unser Wohlbefinden und unsere Beziehungen ging. Wir gingen gemeinsam der Frage nach, inwiefern Technik auf neue Art und Weise unser Glück definiert und ob technikmediiertes Glück wahres Glückserleben darstellt. Mit Blick auf die steigende Nutzung von Smartphones sprachen die Vortragenden von fehlendem Raum für Kreativität, weniger Leerräumen, keinen Gründen für Langeweile sowie der Tendenz zu gesteigertem Medienkonsum statt Zeiten der Selbstreflexion als negative Folge. Die anschließende Diskussion nahm aufgrund der Teilnehmer_innen aus unterschiedlichen Generationen einen für mein Empfinden intensiven Verlauf, indem es kaum möglich war, die zahlreichen positiven Effekte der neuen Medien, die für uns junge Menschen immer selbstverständlicher geworden sind, zur Sprache zur bringen.
Im Anschluss an jene Diskussion spazierte ich durch Salzburg und begegnete dabei an der Seite des Salzburger Domes dieser Darstellung der Pietà von Anna Chromy, deren Bild sowie das von Hand geschriebene Wort „Zuhören!“ mich von da an begleitete.
Die Pietà, die Darstellung Marias als Schmerzensmutter mit dem Leichnam Jesu in ihrem Schoß, begegnete mir hier so ganz anders: Die Stille und scheinbar innere Leere der Skulptur ließ Raum für eigene Interpretation und eine persönliche Resonanzerfahrung. Für mich, die nach einer Diskussion, in der die Sichtweisen von verschiedenen Generationen so eklatant aufeinander trafen, frustriert und verwundert durch Salzburg lief, eine eindrückliche Erinnerung daran, dass gegenseitiges Zuhören eine Chance für Begegnung auf Augenhöhe sein könnte.
Vielfältiges Zuhören?
Denn „Zuhören“ war ein Kernpunkt der Hochschulwoche: Wir hörten den Vortragenden zu, den Beiträgen bei den Diskussionen, den unterschiedlichen Positionen im Austausch mit anderen Studierenden aus ganz Deutschland und Österreich sowie den vielen musikalischen Beiträgen, die uns die Zeit in Salzburg während verschiedener Rahmenveranstaltungen zu den Salzburger Hochschulwochen verschönerten.
Dabei besonders hervorzuheben ist die von den Salzburger Hochschulwochen organisierte Verlosung von Karten für die Salzburger Festspiele an die Studierenden. Im Rahmen eines Studierendentreffens am ersten Abend wurden unter Hochspannung Karten für Dmitri Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“, Gerhart Hauptmanns naturalistisches Drama „Rose Bernd“, Harold Pinters Schauspiel „Die Geburtstagsfeier“ und weiterer einzelner Solisten- und Orchesterkonzerte verlost. So kamen im Laufe der Woche alle Studierenden in den Genuss der hohen künstlerischen und musikalischen Qualität der Aufführungen der Festspiele.
„Öffentlichkeit funktioniert dort, wo sie Resonanzerfahrungen ermöglicht.“
Aufgrund der Vielfalt der Vorträge, Gedankengänge und Impulse ist es nur schwer möglich, eine umfassende Zusammenfassung der Salzburger Hochschulwochen zu geben. Ich persönlich habe die Anregungen zu Resonanzerfahrungen und Öffentlichkeit im abschließenden Vortrag des Soziologen Hartmut Rosa für mich als wertvoll mitnehmen können, sicher auch, da ich mich als Musikstudentin grundsätzlich viel mit Resonanz beschäftige. „Die Salzburger Hochschulwochen gelingen dann, wenn sie zu einem Resonanzraum werden.“, schlussfolgerte Rosa. Resonanz umfasst für ihn die Freiwilligkeit und die Freiheit etwas zu folgen, das mich begeistert, mich von einer Begegnung berühren zu lassen, darauf zu antworten und eine Veränderung zu erleben. Resonanz sei aber auch unverfügbar, nicht erzwingbar – ich kann mich auf eine Musik, eine Landschaft, eine Begegnung einlassen, ich kann jedoch nicht erzwingen, dass sie mich berührt, bewegt, verändert.
Diese Aspekte stellen nur einen kleinen Einblick in seine Überlegungen dar und sollen abschließend dazu dienen, das Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit, das im Kern die Dialoge der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen begleitet hat, in den Blick zu nehmen. Die Diskussion über die Rolle der Religion und ihrer Symbole in der Öffentlichkeit ist aktueller denn je und auf die vielen damit verbundenen Fragen lassen sich ebenso zahlreiche Antworten finden.
In Salzburg, in dessen Altstadt sich zahlreiche Kirchen, Klöster oder religiöse Kunst dem Besucher nahezu aufdrängen, ist die öffentliche Konfrontation mit christlicher Religiosität unausweichlich. Im Gegensatz dazu erlebe ich als Studentin in Berlin eine bunte Vielfalt an Religionen, Kulturen und Spiritualität, deren Vertreter den öffentlichen Raum auf viele verschiedene Arten beleben. Für mich persönlich knüpft dies an meine Erfahrung bei der spontanen Betrachtung der Pietà am Salzburger Dom an: im Rückblick auf die Salzburger Hochschulwochen erkenne ich im Mehrwert des Zuhörens eine Chance für die verschiedenen Herausforderungen unserer öffentlichen Gesellschaft.