Die Kirchen wünschen sich mehr Kino mit gesellschaftlicher Relevanz. Filme könnten „nicht nur unterhalten, sondern auch die Augen öffnen, damit wir die Welt, die Menschen und ihre Ängste und Sehnsüchte neu und anders sehen“, sagte der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gebhard Fürst, am Sonntagabend beim Ökumenischen Empfang zur Berlinale.
Zusammen mit der evangelischen Kulturbeauftragten, Oberkirchenrätin Petra Bahr, begrüßte der katholische Medienbischof in Berlin zahlreiche Gäste aus der Filmbranche, Kultur und Politik. In seiner Ansprache hob er die Wertschätzung der Kirchen für den Film hervor, der „auf besonders eindrucksvolle Weise die Welt nahebringen“ könne.
Der Bischof von Rottenburg- Stuttgart verwies dabei auch auf Papst Franziskus, der in einem Interview die Bedeutung des Kinos herausgestellt hatte: seine filmkulturelle Bildung verdanke er seinen Eltern, die ihn als Kind oft ins Kino mitgenommen hätten. Vielleicht habe der besondere Blick des Papstes auf die Menschen am Rande der Gesellschaft auch zum Teil seinen Ursprung in dem nachhaltigen Eindruck, den gute Filme bei ihm hinterlassen haben, sagte Bischof Fürst.
Das Anliegen, auf die kleinen Leute zu schauen, die im Kampf ums Überleben ihre Würde zu bewahren suchen, beschreibe aber nicht nur das Programm des Papstes. Auch viele Filmemacher hätten sich dieser Aufgabe immer wieder verschrieben. Ihnen komme es darauf an, „über den Film ein Gefühl für soziale Verantwortung zu vermitteln“.
Als Vertreter eines sozial engagierten Kinos würdigte Bischof Fürst den Regisseur Ken Loach und seine „mitfühlende Anteilnahme am Leben der kleinen Leute“. So sei es kein Zufall, dass das Festival dem Altmeister des britischen Kinos in diesem Jahr den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk verleiht. Kein anderer Regisseur sei häufiger mit kirchlichen Preisen ausgezeichnet worden.
Der Medienbischof wies außerdem auf ein Jubiläum hin: Vor 60 Jahren hat erstmals eine katholische Jury bei der Berlinale einen Preis vergeben. Die evangelische Filmarbeit hat 1963 eine eigene Jury eingerichtet, seit 1992 ist eine Ökumenische Jury vertreten. Diese zeichnet zum Ende des Festivals Filmschaffende und -beiträge aus, die ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, und die Zuschauer für spirituelle und soziale Werte sensibilisieren. Die diesjährigen Preisträger standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Das Kino liefere immer auch „wichtige Zeugnisse der Zeit“, sagte die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche. Filme erinnerten daran, „wer wir waren und wie wir werden wollten. Sie erzählen Geschichten und schreiben so auch an der Geschichte mit. Wer das Kino unterschätzt, hat immer schon verloren“, sagte Bahr bei dem Empfang. Sie betonte, dass Filmbeiträge nicht nur gewinnbringende Produkte der Industrie seien, sondern ein „kulturelles Erbe, das es zu pflegen gilt“. Die anstehende Digitalisierung dürfe nicht zu einer kulturellen Demenz führen.
Vielmehr brauche es gut gepflegte Filmdepots für die bewegten Bilder. Als Gastredner beim Ökumenischen Empfang forderte Regisseur Philip Gröning („Die große Stille“), den Film wieder stärker in den gesellschaftlichen Diskurs zu bringen. Er wünsche sich ein Kino, das wagemutig und engagiert Themen aufgreife, die den Zuschauer herausfordern und neue Sichtweisen vermitteln. „Wichtige Themen sind da und müssen auch behandelt werden“, betonte er. Das Publikum könne durchaus auch „was Schweres ertragen“. Mit Blick auf die Flüchtlingsdramen vor Lampedusa wundere er sich, dass es im Wettbewerb keinen Film „über die ganzen Mittelmeertoten“ gebe.