Das „DICO-Institut“ an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin vernetzt Menschen seit 15 Jahren auf so genannten Bürgerplattformen. Kürzlich feierte es sein Jubiläum.
Eine gerechtere Verteilung der Kassenärzte auch in benachteiligten Bezirken, eine bessere Ausbildung von Erzieherinnen, ein Friedhof für Muslime mitten im Kiez – Andrea Meyerhoff und Katja Neppert haben zusammen mit vielen Mitstreitern bereits einige Verbesserungen in Berlin-Neukölln erreichen können. Sie engagieren sich bei „WIN“ – das steht nicht nur für „gewinnen“, sondern auch als Abkürzung für „Wir in Neukölln“, eine von vier so genannten Bürgerplattformen in Berlin.
Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Religionen und sozialen Milieus zusammenbringen, miteinander vernetzen und dafür sorgen, dass alle an einem Strang ziehen und sich für gemeinsame Ziele einsetzen – das ist die Idee der Bürgerplattformen, die unter dem Begriff „Community Organizing“ aus den USA stammt. Organisiert und wissenschaftlich begleitet werden diese Bürgerplattformen von einem Institut, das der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) angegliedert ist: Dem „Deutschen Institut für Community Organizing“, kurz DICO. Anfang März feierte es sein 15-jähriges Bestehen mitten in Neukölln – und auch der Berliner Erzbischof Heiner Koch gratulierte persönlich.
Als „Pionier“ der Bürgerplattformen in Deutschland gilt Leo Penta, der viele Jahre als Professor an der KHSB gelehrt hat. Das Jubiläum „seines“ Instituts ist zugleich sein Abschied – zum Monatsende übergibt er die Leitung des DICO an ein Viererteam.
„So stelle ich mir den Himmel vor!“
Ende der 1990er Jahre, noch lange vor der Gründung des Instituts, begann er mit dem Aufbau von Bürgerplattformen in der Hauptstadt. Und die erste Kampagne ist bis heute auch die erfolgreichste: In Oberschöneweide, einem traditionsreichen Berliner Industriebezirk, herrschte nach der Wende Endzeitstimmung. Wo einst Großbetriebe wie das AEG-Kabelwerk Oberspree tausenden Menschen Arbeit gegeben hatten, schlossen sich viele Werkstore für immer. Doch zahlreiche Bürger ergriffen schließlich selbst die Initiative. „Organizing Schöneweide – Menschen verändern ihren Kiez“ war 2001 die erste Bürgerplattform, die dem Stadtteil wieder Leben einhauchen wollte. Und das mit Erfolg: 2006 zog auf dem Gelände des früheren Kabelwerks die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) ein. Heute gilt Schöneweide als aufstrebender Stadtteil, in dem viele junge und kreative Menschen leben.
Und die Idee der Bürgerplattformen machte Schule: Die Neuköllnerin Andrea Meyerhoff, Geschäftsführerin des Vereins „Gemeinsam für Berlin“, lernte vor zwölf Jahren im Wedding die dortige Plattform kennen. „Ich habe gedacht, so stelle ich mir den Himmel vor“, erzählt sie auf dem Festakt zum Institutsjubiläum von ihren damaligen Eindrücken. Das Miteinander vieler Kulturen, Sprachen und Religionen begeisterte sie – und so war sie mit von der Partie, als vor zehn Jahren „WIN – Wir in Neukölln“ mit 31 Gruppen und mehr als 1000 Menschen an den Start ging. Bis heute ist sie beeindruckt, „dass Politiker uns zugehört haben, dass sie interessiert an Vorschlägen waren und Dinge umgesetzt haben“, berichtet Andrea Meyerhoff. „Wir haben gemerkt, das ist ein ständiger Kampf und nicht immer ein Selbstläufer.“ Unterstützt wird sie unter anderem von Katja Neppert, die sich auch in der evangelischen Nikodemus-Gemeinde in Neukölln engagiert. Auch sie fasziniert das Miteinander von Menschen unterschiedlichster Herkunft, wie sie im Gespräch erzählt. „Wir wachsen auch als Menschen, interessieren uns füreinander. Ich habe Dinge mitbekommen, die ich vor zehn Jahren noch gar nicht so genau wusste“, erzählt die Neuköllnerin.
Hartnäckigkeit zahlt sich aus
So machte sich Hartnäckigkeit bezahlt: Bereits 2014 startete die Bürgerplattform WIN eine Kampagne für einen muslimischen Friedhof im Stadtteil; und bekam zuerst eine Absage der heutigen Berliner Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey, damals Bezirksstadträtin und -bürgermeisterin in Neukölln. Vier Jahre später war die Kampagne dann erfolgreich: 2018 wurde der Friedhof Lilienthalstraße für muslimische Bestattungen geöffnet. Nur eine von mehreren Verbesserungen, die die Plattform bereits bewirkt hat. Dass gerade eine katholische Hochschule den Aufbau der Bürgerplattformen unterstützt, ist kein Zufall, sagt auch Erzbischof Koch in seinem Grußwort. Schließlich sei Kirche „community“, also Gemeinschaft. Dies habe seine „tiefste Wurzel im Gottesbild selbst“: Gott ist dreieinig, also in sich selbst Gemeinschaft und Liebe. „Was Sie leisten“, rief er den DICO-Mitarbeitern zu, „ist angewandte Wissenschaft und ein Anwendungsfall des christlichen Glaubens.“ Näheres unter