Seit 25 Jahren finden Workcamps der Kolping-Jugend in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück statt. Was mit einer spontanen Anfrage aus einer Notlage heraus begann, ist heute ein umfassendes Engagement.
Los ging es 1995. Damals wurde der Lagerkomplex des einstigen Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück zugänglich. Zwar gab es in Ravensbrück seit 1959 eine Gedenkstätte, die befand sich aber gewissermaßen „vor den Toren“. Das Gelände hinter der Lagermauer wurde von sowjetischem Militär, nach der Wende von GUS-Truppen (GUS: Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Nachfolgestaat der Sowjetunion), genutzt. Als die 1995 abzogen, gab es viel zu tun, um die Anlage instandzusetzen und zu erhalten. Dafür fehlten Mittel und Menschen. Daher wandte sich der Amtsdirektor der Stadt Fürstenberg an das Kolpingwerk und bat um Unterstützung.
Zunächst, um eines der ehemaligen SS-Aufseherhäuser für die Gedenkarbeit und die Begegnung mit Zeitzeugen herzurichten. So kam es, wie Daniel Buchholz erzählt, dazu, „dass 1995 das erste Mal Kolpinger dorthin gingen und das heutige Haus der Lagergemeinschaft entkernt haben“. Es blieb nicht bei dieser Aktion. Ein Jahr darauf organisierte die Kolpingjugend des Erzbistums Berlin ein großes Sommerlager mit deutschen und polnischen Jugendlichen in Ravensbrück und beschloss, sich dauerhaft zu engagieren. Seitdem werden jedes Jahr Wochenendeinsätze und Workcamps durchgeführt. Gebäude werden gesichert und hergerichtet, Flächen von Unkraut und Wildwuchs befreit und zugänglich gemacht.
Mehrere Generationen engagieren sich
Ab 1997 machte auch Daniel Buchholz mit und konnte ein paar Jahre darauf seine Eltern gewinnen. Die wurden aber nicht bei den Aufräum- und Pflegearbeiten im Gelände tätig, sondern im Archiv der Gedenkstätte. Denn dort lagern noch viele schriftliche Zeugnisse, die für die wissenschaftliche und private Nutzung aufbereitet werden müssen: Dokumentationen, Biographien und Berichte ehemaliger Insassen und anderer mit dem Lager in Verbindung stehender Personen, Verwaltungsakten des Lagers und Briefe der Frauen an ihre Angehörigen. Das Kolpingwerk entschied sich deshalb 2007, auch auf diesem Gebiet tätig zu werden. Aus einem vorrangig von Jugendlichen getragenen Engagement wurde so ein generationsübergreifendes. Alt und Jung arbeiten seitdem zusammen: die einen auf dem Gelände, die anderen im Archiv.
Beide Tätigkeiten sind nicht nur nötig und nützlich, sie belasten auch. Denn in Ravensbrück, dem größten Frauenkonzentrationslager auf deutschem Gebiet, wurden zehntausende Frauen ermordet, starben an Entkräftung und Hunger, an Krankheiten oder durch medizinische Experimente. Um mit diesem Grauen umgehen zu können, bekommen die Engagierten zum einen inhaltliche Begleitung durch Mitarbeiter der Gedenkstätte, die über einzelne Aspekte der Lagerwirklichkeit informieren. Daneben gehört das Gedenken elementar zu den Einsätzen in Ravensbrück. Es findet in Form von geistlichen Impulsen und Gottesdiensten statt, die auch der seelischen Stärkung für die Arbeit im Lagergelände und im Archiv dienen.
Daniel Buchholz, der sie als geistlicher Leiter der Kolpingjugend im Erzbistum Berlin mitgestaltet, betont: „Dabei ist uns wichtig, dass wir nicht einer bestimmten Gruppe gedenken. Für uns sind alle Opfer aus Ravensbrück in unserm Gedenken eingeschlossen. Wir denken nicht nur an die christlichen Frauen, sondern an alle Menschen, die betroffen waren.“
„Gegen das Vergessen“ – unter dieses Motto hat die Kolpingjugend im Diözesanverband Berlin ihr nunmehr 25 Jahre andauerndes ehrenamtliches und generationsübergreifendes Engagement in Ravensbrück gestellt. Dabei kommt es ab und an zu Begegnungen mit ehemaligen Lagerinsassinnen. So mit zwei deutschen Frauen: Eine sollte auf dem Land arbeiten, entzog sich und wurde deshalb nach Ravensbrück gebracht. Die andere hatte einer polnischen Zwangsarbeiterin Kindersachen zugesteckt und kam dafür ins Lager. Dankbar erinnert sich Daniel Buchholz daran, was eine von ihnen am Abend zu ihrer Leidensgenossin sagte: „Das hätte sich die SS nicht träumen lassen, dass wir mal hier noch mit einem Weinchen sitzen. Wir sind noch hier.“ Noch heute freut er sich darüber, „wie das so ganz emotional rauskam: Wir sind noch hier und jetzt trinken wir hier unser Weinchen und wir haben gewonnen, nicht ihr.“
Zur Sache
Engagement für die Erinnerung
Von 1939 bis 1945 waren im Konzentrationslager Ravensbrück etwa 120 000 Frauen, Kinder und weibliche Jugendliche aus über 30 Nationen inhaftiert. 2012 schloss die Gedenkstätte mit der Kolpingjugend und dem Kolpingwerk im Diözesanverband Berlin einen Kooperationsvertrag. Seitdem ist das Engagement „Gegen das Vergessen“ vertraglich festgeschrieben.