Der Ausruf seines damals sechsjährigen Urenkels Oskar „... und das hast du alles gemalt, nich?!“ war titelgebend für die Ausstellung des Künstlers Heinz Runge, die noch bis zum 26. August im Kathedralforum des Bernhard- Lichtenberg-Hauses in Berlin- Mitte zu sehen ist.
„Ich wollte keinen hochgestochenen Titel für meine Arbeiten“, sagt Runge bescheiden. „Und ‚Malerei der letzten zwei Jahre‘ war mir zu trocken. Da hat mich Oskar richtig gerettet.“
Wer die Ausstellung entlangschreitet, sieht sowohl konkrete Malereien der Kathedrale, ein Stillleben mit Kaffee-Utensilien, aber auch abstrakte Kollagen à la Kurt Schwitters. „Oh, das ist nett, dass Sie mich mit diesem großen Meister vergleichen“, freut sich der gebürtige Ludwigsluster. Aber der Vergleich ist naheliegend: Hier klebt ein Stück Glitzerfolie auf dem Bild, hier ist ein Stück Karton übergepinselt und auf einem anderen Bild hängen noch Papierfetzen. „Bei dieser Mischtechnik habe ich wieder etwas abgerissen“, erläutert Runge. „Gerade an meine Bildern in der Mischtechnik gehe ich über die Jahre immer wieder ran. Da packt mich manchmal der Wahn.“
Kein Hobby, sondern „innerer Zwang“
Nach 26 Jahren an der Komischen Oper in Berlin ist Runge jetzt Rentner und ärgert sich, wenn Freunde und Bekannte behaupten, er hätte jetzt eine „schöne Freizeitbeschäftigung gefunden“. Für ihn ist die Malerei ein „inneres Muss“ – kein Hobby. Dennoch ist er froh, dass er nie Malerei oder Kunst studiert hat: „Davon hätte ich nicht leben können.“
Seine 22 Bilder sind teilweise Aquarelle, teilweise mit der Gouache- Technik gemalt. Ein Bild, das London im 19. Jahrhundert zeigt, hat er auf Sperrholz gemalt. Andere Werke sind eher abstrakt. „Mit abstrakter Kunst können viel Menschen nichts anfangen“, wehrt Runge den Begriff ab. „Ich finde selbst, dass einige abstrakte Bilder wirkungsvoll hingeschmiert sind.“ Deswegen bezeichnet er seine nicht-gegenständlichen Bilder als mehrdeutig. Sie sollen die Fantasie des Betrachters anregen. Gleichzeitig findet er diese Bilder weniger ablenkend, weswegen zwei mehrdeutige Bilder in dem mit Glaswänden abgetrennten Beratungsraum hängen. „Da hier auch Trauergespräche geführt werden, habe ich hier das Bild ‚Hellroter Bogen‘ hingehängt“, erzählt Runge. „Es korrespondiert sehr schön mit dem Bild „Dunkles‘.“
Die Kathedrale „ist ein wunderbares Bauwerk“
Die Kathedrale St. Hedwig hat er gleich mehrmals in den Blick genommen. „Sie ist ein wunderbares Bauwerk und etwas ganz Besonderes für Berlin“, sagt der kreative Rentner. „Ich mag den Bezug zwischen Himmel und Kuppel und die Stelle, an der man durch den Boden des Bebelplatzes die leeren Bücherregale sehen kann, die an die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten erinnern.“ Wegen dieser Wertschätzung ist die Öffnung auch auf einem seiner Bilder (Gemälde auf dem Foto) zu sehen, obwohl sie, beachtet man die realen Gegebenheiten, außerhalb des Rahmens liegen müsste. „Ich habe mir erlaubt, sie in einem meiner Bilder etwa zentraler zu platzieren“, gibt Runge zu.
Das alles hat er selbst gemalt – nur eines nicht: Neben seiner handschriftlichen Vita hängt eine Zeichnung, die ihn in seinem Atelier zeigt. Wie der Titel ist auch dieser Bestandteil der Ausstellung nicht seiner Feder entsprungen: „Dieses Bild hat unser damals siebenjähriges Nachbarskind Agnes gemalt.“
Die Ausstellung ist bis zum 26. August im Kathedralforum des Bernhard-Lichtenberg-Hauses, Hinter der Katholischen Kirche 3, in Berlin-Mitte zu besichtigen.