Sie gilt als die schönste Stadionkapelle weltweit. Zur Fußballweltmeisterschaft 2006 eröffnet, hat sich in dem kleinen Sakralraum im Berliner Olympiastadion längst ein überaus herzliches und pulsierendes Gemeindeleben entwickelt.
So einen Gottesdienst muss man einfach mal erlebt haben. Fast alle strahlen, lachen und singen lauthals mit. Einige umarmen sich. Viele haben Fanschals um oder tragen die Trikots ihrer Lieblingsmannschaften. Wenn am Freitag die Bundesligasaison 2014/15 beginnt, zieht auch in die weltweit wohl schönste Stadionkapelle wieder neues Leben ein. Für die Katholiken dabei: Gregor Bellin.
Bellin, der Ständiger Diakon ist, und sonst im Erzbistum für die Krankenhausseelsorge zuständig ist, ist nicht nur waschechter Berliner, sondern auch Herthaner – durch und durch. Wie bei allen Fußballfans ist bei ihm, bevor eventuelle Gegentore die Laune verhageln, vor dem Spiel die Stimmung am besten. Voller Enthusiasmus, fast sprudelnd zeigt er dem Reporter seinen Wochenendarbeitsplatz. Als ehemaliger Seelsorger der Sinti und Roma hat Bellin auch tatkräftig dazu beigetragen, dass Rassisten und Gewalttäter in der Ostkurve, hier versammeln sich bei Hertha die Fans, immer weniger Fuß fassen konnten. Dem einstigen Pöbelgeschrei „Zickzack-Zigeunerpack“ setzte er die Parole „Blau-weiß statt Braun“ entgegen.
Noch heute kann sich der Diakon an sein erstes Hertha-Spiel in den siebziger Jahren erinnern. Eine 0:4-„Klatsche“ gegen Bayern, so etwas prägt, so etwas verbindet. Inzwischen ist Bellin 54 Jahre alt, aber das sieht man ihm nicht an. Mit den vorwiegend jugendlichen Fans spricht er auf Augenhöhe. Auch sein Predigtstil ist eher locker. Viel ökumenischer und lebendiger als hier bei Hertha BSC kann Kirche nicht sein. „Wir machen ein niederschwelliges Angebot“, sagt Bellin. Und das kommt an.
20-Minuten-Gottesdienste im „Oly“
Ein Wortgottesdienst im „Oly“ dauert rund 20 Minuten. Die Lieder sind meist fröhlich, rockig. Gitarre spielt Christoph Schumacher. Der evangelische Religionslehrer ist zugleich Vorsitzender von Berlins einzigem christlichem Fanclub, der Totalen Offensive.
Seit ein paar Jahren lassen sich gegen eine Spende von 200 Euro auch immer mehr Christen im Stadion taufen oder heiraten hier. Der ganz in Gold gehaltene, ovale Sakralraum mit den Bibelversen in 18 Sprachen an den Wänden, ist die einzige der drei deutschen Stadionkapellen (in Berlin, Gelsenkirchen und Frankfurt), in der eine Stunde vor Spielbeginn Gottesdienste stattfinden. Die anderen Kapellen dienen vor allem als Andachtsräume.
Auch Fußballprofis kommen zum Beten in die Kapelle
Neben den Zuschauern – rund 70 haben Platz – kamen und kommen gelegentlich auch Fußballprofis wie Ex-Nationalspieler Arne Friedrich zum Beten her. Marius Gersbeck, der Ersatztorhüter der Berliner, ließ sich im „Oly“ sogar konfirmieren. Gelegen ist die Kapelle sozusagen im Herzen des Olympiastadions – zwischen Players- Lounge und dem sogenannten Spieleraufstellraum, also dort, wo sich die Profis noch mal kurz versammeln, bevor sie unter tosendem Beifall hinaus aufs Spielfeld treten. Vor dem WM-Endspiel 2006 suchte hier die italienische Mannschaft noch Beistand von oben. Die Franzosen kamen nicht. Und verloren … Weltmeister wurde Italien. So werden im Sport Legenden geschrieben.
Die Idee zum Bau der Stadionkapelle hatte Pfarrer Bernhard Felmberg, der Sportbeauftragte der evangelischen Landeskirche. 2002 stellte Felmberg sein Projekt dem Verein vor. Niemand hatte etwas dagegen. Finanziert wurde der rund 350 000 Euro teure Raum mit Spenden und Sponsorengeldern, so Felmberg. Alle arbeiten ehrenamtlich. Auch Küsterin Anja Hammer, eine Erzieherin aus Wilmersdorf, ist mit viel Begeisterung dabei. Keiner will Geld. Warum auch? In der Stadionkapelle kommen für alle Beteiligte gleich mehrere Herzensangelegenheiten zusammen: Der Faible für den Fußball, die alte Dame Hertha und der Glaube, die Leidenschaft für Gott und für Christus.
Kontakt:
Die Kapelle liegt im Bereich der Haupttribüne, direkt zwischen der Players-Lounge und dem Spieleraufstellraum auf der Ebene -4. Die Gottesdienste finden jeweils eine Stunde vor Spielbeginn statt, also zum Beispiel Samstagnachmittag um 14.30 Uhr. Treffpunkt für Teilnehmer ist eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn am VIP-Eingang, Block C. Nachfragen für Hochzeiten und Taufen: Olympiastadion Berlin GmbH, Tel. 0 30 / 30 68 81 13, Sportpfarrer Bernhard Felmberg, Tel. 01 74 / 3 98 83 01 oder Diakon Gregor Bellin, Tel. 0 30 / 5 59 31 83.