Nach über einem Jahr wird das ehemalige Bildungshaus St. Konrad Mitte Oktober erneut in Betrieb genommen: 91 Flüchtlinge können in Ein- bis Vierbettzimmer einziehen. Vorab konnten sich Interessierte bei einem Tag der offenen Tür umschauen. „Wie das angefangen hat, dann die Nazizeit und jetzt die Flüchtlinge, das ist doch irre!“ Eine Schöneicherin sitzt am Tisch im Saal des früheren Bildungshauses in Schöneiche, genießt Kaffee und Kuchen und freut sich, dass das Haus eine neue Verwendung findet.
Die Stimmung im Ort sei gut, plaudert sie, schließlich habe man hier in den 90er Jahren auch Russlanddeutsche aufgenommen. „Die sind jetzt alle in normale Wohnungen gezogen und voll integriert.“ Ähnlich positiv sieht es Heimleiter Ivo Kodal: „Bisher läuft alles gut.“ Er erinnert zwar auch an die Buttersäureattacke, die im November 2013 verübt wurde, nachdem die NPD auf ihrer Internetseite dazu aufgerufen hatte, die Unterbringung von Flüchtlingen in Schöneiche zu verhindern. Aber darüber hinaus gebe es kein großes Problem. Es seien auch schon Ehrenamtliche da, die früher auch in der Notunterkunft geholfen hätten. Das Interesse ist jedenfalls groß: Kodal ist beim Tag der offenen Tür gefragter Ansprechpartner nicht nur für Journalisten. Immer wieder wird er im Gespräch unterbrochen, weil eine Frau ein Puzzle spenden oder ein Mann einen Vorschlag für eine Fahrradwerkstatt unterbreiten möchte. Der Heimleiter nimmt sich die Zeit: „Tragen Sie sich doch in die Liste der Ehrenamtlichen ein“, bittet er den Mann mit der Fahrradwerkstatt, „So etwas wie Sie vorschlagen, können wir hier richtig gut brauchen.“ Weitere ehrenamtliche Hilfe ist willkommen.
Herde, Töpfe, Teller, Nachttischlampen
Kodal, der vorher in einer Notunterkunft in Berlin-Steglitz arbeitete, empfindet die Unterbringung in Schöneiche für die Flüchtlinge als Fortschritt: „Hier kann eine Familie im Idealfall in einem Zimmer wohnen. In Steglitz in der Turnhalle wurden Männer und Frauen getrennt, auch wenn sie verheiratet waren, und es gab überhaupt keinen Privatbereich“, erzählt er. Seiner Aufgabe sieht er mit Spannung und Interesse entgegen, aber: „Wir wissen, dass wir noch eine Menge zu tun haben.“ Das wird den Besuchern auch deutlich: Eine Woche vor Eröffnung ist zwar die ehemalige Großküche fertig umgebaut – dort findet sich jetzt eine Mittelinsel mit sechs Herden in normaler Einfamiliengröße – aber in den Schränken steht noch kein Topf und kein Teller. Auch an manchen Zimmertüren, an denen die Besucher vorbeigehen, hängen noch Zettel wie „1x Nachttischlampe“. Insgesamt sieht man sich gut aufgestellt. „Wir haben nur das angepasst, was nötig war“, erklärt Rui Wigand vom Caritasverband für das Erzbistum Berlin, dem Träger der Einrichtung.
Nötig war zum Beispiel, manche Zimmer mit größeren Schränken auszustatten – waren hier bisherige Bewohner doch meist nur für kurze Zeit untergebracht. Es mussten Esstische und Kühlschränke her. Manche Zimmer wurden komplett neu eingerichtet. Die Brandsicherheit musste angepasst werden. Die Fluchtpläne sind fünfsprachig.
Flüchtlinge wollen aus Erkner wiederkommen
„Die Flüchtlinge werden längere Zeit hier wohnen“, sagt Heimleiter Ivo Kodal. Manche wollten aus Erkner wiederkommen, weil sie sich in Schöneiche wohler gefühlt hätten. Es kommen Menschen, die nach sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland Anspruch auf eine Gemeinschaftsunterkunft haben. „Wer dann eine Aufenthaltsberechtigung hat und eine Wohnung findet, kann ausziehen.“ Das Haus in der Friedrichshagener Straße hat eine lange Geschichte.
Es war seit 1924 Knabenerholungsheim der Franziskaner, in der NS-Zeit Sitz von Hitlerjugend und Parteiverbänden, später Kinderheim, in der DDR-Zeit Vorseminar und Ort für den Sprachenkurs für Latein und Griechisch. Auf dem Gelände wird seit 1982 ein Gemeindezentrum und seit 1991 die Kirche genutzt. Von 1991 bis 2015 hieß es Bildungshaus St. Konrad.
Mit den Flüchtlingen beginnt nun ein neues Kapitel. Einmal reinschauen: Interessierte inspizieren beim Tag des offenen Tür die Küche des neuen Flüchtlingsheims.