In Zeiten der Corona-Auflagen verbringen Menschen häufiger Zeit allein. Weshalb diese Art der Stille Exerzitien beispielsweise im Karmelitenkloster Birkenwerder nicht ersetzen kann, erläutert Daniela Bethge.
Sie bieten Exerzitien in Ihrem Kloster an. Wegen Corona ist die Durchführung derzeit nicht möglich. Ist der Bedarf an Stille durch die staatlich verordneten Vorsichtsmaßnahmen nicht ohnehin mehr als gedeckt?
Die äußere Stille allein führt nicht automatisch zur inneren Stille. Die Menschen, die in unser Haus kommen – übrigens nicht nur Christen –, suchen Stille und Schweigen, um einmal wieder in Ruhe über ihr Leben nachdenken zu können. Das Wort Exerzitien bedeutet ja Einübung. Wer sich auf eine solche Zeit der Stille einlässt, will sich darin „einüben“, bewusst durchs Leben zu gehen – damit er im Trubel des Alltags nicht irgendwann mehr gelebt wird als dass er lebt. Für Christen heißt das auch, die leise Stimme Gottes wieder wahrnehmen zu lernen. Die „Stille“, die so viele Menschen jetzt durch Corona erleben, kann das auch bewirken, sie kann aber auch sehr belastend und leidvoll sein.
Sie erreichen in Birkenwerder jetzt viele Mails. Was bewegt die Menschen darin?
Sie schreiben uns oder rufen uns an, um über die Sorgen und Anliegen sprechen zu können, über die sie sonst während des Kurses mit uns Exerzitienbegleitern gesprochen hätten. Telefonseelsorge ist bei uns jetzt großgeschrieben, auch bei den drei Mönchen hier im Kloster. Andere wollen uns einfach nur mal sagen, wie dankbar sie sind, dass sie durch ihre bisherige Exerzitienerfahrung gelernt haben, nun auch mit dieser unfreiwilligen „Auszeit“ umgehen zu können. Und alle finden es schade, dass ihr Kurs ausfallen muss.
Was raten Sie ersatzweise?
Eigene Wege zu suchen und zu gehen. Mir erzählte eine Frau, dass sie sich schwer vorstellen konnte, die Kar- und Ostertage allein zu begehen, weil sie sonst immer bei uns im Exerzitienhaus war und die Gottesdienste in der Klosterkirche mitfeiern konnte. Sie hat sich dann selbst mit den Ostertexten beschäftigt und ihre eigene Form gefunden, „Gottesdienst“ zu feiern. Ein Rezept haben wir nicht, aber grundsätzlich raten wir, sich auch zu Hause ab und zu ein paar Minuten Zeit zum stillen Nachdenken zu nehmen und die Freundschaft mit Gott zu pflegen. Die Karmelitin Teresa von Ávila hat ihren Schwestern gesagt: Gott findet ihr auch zwischen den Kochtöpfen und wenn ihr ihn dort nicht findet, werdet ihr ihn auch im Gottesdienst nicht wirklich finden.
Ist diese Zeit eine Chance?
Unbedingt. Ich glaube, es täte uns allen gut, wenn wir von mancher Hektik ein bisschen runterkommen und dabei unterscheiden lernen, was wirklich wichtig ist im Leben. Auch was im Leben als Christ wirklich wichtig ist und worauf wir notfalls verzichten können. In diesem Sinne könnte diese Zeit wie Exerzitien sein – jedenfalls für einen Teil der Menschen, andere haben jetzt doppelt so viel Arbeit und Sorgen.
Dann machen Sie sich also überflüssig mit Ihren Angeboten?
Das glaube ich nicht. Es wird wohl eher so werden, dass noch mehr Menschen solche bewusst gewählten Zeiten der Stille suchen und in ihren Jahresablauf einplanen.
Wem würden Sie Exerzitien empfehlen?
Allen. Exerzitien kann jeder machen, der sich mal ein paar Tage bewusst aus dem Trubel des Alltags zurückziehen möchte. Bei Exerzitien, wie sie im Karmel gestaltet werden, ist wenig Programm vorgegeben: ein Gottesdienst am Morgen, zwei Vorträge am Tag. Dazwischen ist viel Zeit, um Schlaf nachzuholen, spazieren zu gehen, den eigenen Gedanken nachzuhängen und darüber mit Gott ins Gespräch zu kommen.