Urlaubskrimi einmal anders

„Wer ist der Übeltäter?“ – ein junger Detektiv und seine Eltern gehen dem biblischen Kriminalrätsel auf den Grund. Foto: Marion von Brechan

Die Tourismuspastoral auf Rügen und in Stralsund hat begonnen – mit Altbewährtem wie Ufergottesdiensten, Pilgertouren oder Taizéandachten. Aber auch neue Formate wie der „Bibelkrimi“ sollen Urlauber in die Kirchen locken.

„Die Seele baumeln lassen“, sagen die einen, „endlich mal Abschalten“, sagen die anderen. Egal, wie man es ausdrückt: Im Urlaub an der Ostsee auf der Insel Rügen geht beides. Wer sich auch an der frischen Meeresluft zu Gott hingezogen fühlt – oder vielleicht versuchen möchte, ihn erst einmal zu entdecken –, auf den wartet auch in diesem Jahr die Urlaubsseelsorge.

Seit 2017 arbeitet Marion von Brechan als Referentin für die Tourismuspastoral des Erzbistums Berlin auf Rügen. Auch in Zusammenarbeit mit der evangelischen Pastorin Ellen Nemitz hat sie mittlerweile feste Angebote etabliert, wie die ökumenischen Ufergottesdienste ganz im Norden der Insel am Hochufer nahe Kap Arkona, die Taizé-Andachten in Binz, Sassnitz und Barth oder die Stadtpilgertouren durch Stralsund. Dazu probiert die Urlaubsseelsorgerin immer wieder neue Formate aus.

Biblischen Verbrechen nachgehen

Da wäre etwa der Bibelkrimi, der in der evangelischen Kirche in Binz und in den katholischen Kirchen von Sellin und Stralsund angeboten wird. „Es gibt das Buch ‚Tatort Bibel‘, geschrieben vom Religionspädagogen Patrick Grasser, mit Kriminalfällen aus dem Alten und Neuen Testament. Kinder nähern sich den Geschichten und werden zu Juniordetektiven“, erklärt Marion von Brechan. „Mit den Bibelpassagen und selbsterdachten Schriftstücken wollen wir nachzuvollziehen: Was genau ist geschehen? Wer hat wie gehandelt? Warum? Und gegen welche der zehn Gebote hat er dadurch verstoßen?“

Schon im vergangenen Jahr habe sich das Format bei Familien großer Beliebtheit erfreut. „Wir haben uns der Geschichte von Kain und Abel gewidmet“, erzählt Marion von Brechan. Fasziniert habe sie die Sicht der Kinder – gerade, als es darum ging, was wohl die angemesse rechtliche Strafe für Kain gewesen wäre. „Viele Erwachsenen zogen harsche Strafe in Betracht: Gefängnis oder gar Tod. Anders die Kinder. Die sagten: Kain ist schon genug bestraft, denn schließlich hat er seinen Bruder verloren – und muss nun sein ganzes, weiteres Leben ohne ihn leben.“

Worum es in diesem Jahr geht? Die Pastoralreferentin will nicht zu viel verraten, lässt aber durchblicken: Es geht um König David und die Ereignisse im zweiten Buch Samuel. „Ein gutes Beispiel nicht nur dafür, wie gegen Gottes Gebote verstoßen wurde, sondern auch für Machtmissbrauch“, sagt Marion von Brechan.

Kirche anders als in den Medien dargestellt

Unter anderem wegen solcher niederschwelliger Angebote, meint sie, kämen auch viele säkular geprägte Menschen in die Kirchen auf Rügen und in Stralsund. „Manche sind einfach kulturell interessiert, andere kommen mit ihren Sorgen und Nöten, weil sie wissen: Es gibt uns, wir sind da“, sagt sie.

Sie erinnert sich an ein Gespräch mit einer Mutter. „Ihre Tochter war nur wenige Wochen vorher bei einem Verkehrsunfall gestorben. Als wir spazieren gingen, entwickelte sich ein Trauergespräch, in dem sie von dem Leben ihrer Tochter erzählte“, sagt die Seelsorgerin. Ein paar Tage später sei die Mutter noch einmal zu ihr gekommen, um sich für das hörende Ohr zu bedanken.

Oder der Vater, der mit seinen beiden Kindern nach Stella Maris kam. „Er selbst war zwar evangelisch getauft, hatte seine Kinder bis dahin aber nicht religiös erzogen. Nachdem wir uns unterhalten hatten, sagte er, er fühle sich nun ermuntert, seine Kinder der Kirche näherzubringen.“ Seelsorgerin Marion von Brechan ist überzeugt: „Die Menschen erzählen mir häufiger, dass sie durch solche Begegnungen Kirche anders erleben als sie in vielen Medien dargestellt wird.“

Interessante Begegnungen, sagt Marion von Brechan, ergeben sich aber auch, wenn Katholiken aus verschiedenen Landesteilen zusammenfinden. In Binz etwa sind die Besucher nach der Messe noch zum Kirchencafé eingeladen. „Die örtliche Gemeinde kommt so in Beziehung zu den Touristen“, sagt sie. „Ein Urlauberpärchen aus Süddeutschland erzählte mal, wie ihr Pfarrer darüber stöhnt, dass er mittlerweile 35 Kilometer zu den Gottesdiensten anreisen muss. Als die Binzer beschrieben, wie ihre Pfarrei sich über 140 Kilometer erstreckt, waren sie ganz baff und sagten: ‚Da braucht sich unser Pfarrer ja nicht zu beschweren!‘“

Auch auf die anderen Veranstaltungen freut sich die Urlaubsseelsorgerin. Das Rügener Autorenpaar Sylvia Vandermeer und Frank Meierewert laden zu Lesungen aus ihrem Roman „Nur einmal mit den Vögeln ziehn“ ein. Es geht es um das Leben von fünf Jugendlichen in der DDR, ihre Hoffnungen und Träume, ihre Erwartungen und Enttäuschungen. „Grundlage für den Roman waren unter anderem Tagebuchaufzeichnungen und Predigten von Pastor Olav Metz, der evangelische Theologie in Leipzig, Berlin und Zürich studierte“, erklärt Autorin Sylvia Vandermeer. Die erste Lesung findet am Mittwoch, 21. Juni, um 18 Uhr in Stella Maris in Binz statt.

Ebenfalls zu Gast ins Binz sind im August das Künstlerpaar Judy Bailey und Patrick Depuhl mit ihrer Konzertlesung „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“. Es soll ein Abend werden „mit Songs aus voller Seele und Texten zwischen Leicht- und Tiefsinn. Voller Humor, Hirn und Herz. Über Heimat und Gott, über Vater und Land“.

Auch das von Tourismuspastoral- Referentin Marion von Brechan und Pastorin Ellen Nemitz etablierte ökumenische Pilgernetzwerk bietet auf Rügen immer samstags Tagespilgertouren an, zu Fuß oder mit dem Rad. Vom 22. bis 30. Juli soll es sogar auf den schwedischen Pilgerweg der heiligen Birgitta von Schweden gehen, von Lund nach St. Olav im norwegischen Trondheim.

Ohne freiwillige Mitarbeit geht es nicht

Ganz wichtig für das Gelingen der Tourismuspastoral, betont Marion von Brechan, sei das Engagement ehrenamtlicher Helfer. „Erstens kommen auch durch sie immer wieder neue Ideen zustande. Zweitens können wir dank ihnen die Kirchentüren für Besucher offen halten.“ Obwohl sie schon auf einen festen Stamm an Unterstützern zurückgreifen kann, sucht sie noch weitere Unterstützer, speziell für die Stralsunder Kirche Heilige Dreifaltigkeit. Wer mitmacht, erhält freie Logie in der früheren Stralsunder Bischofswohnung, die jetzt auch über Doppelbett und Schlafcouch verfügt.

Doch was, wenn ein Urlauber einem plötzlich spontan sein Herz ausschüttet? Überhaupt kein Problem, sagt die Pastoralreferentin: „Es gibt keinen Grund, Angst vor einem solchen Gespräch zu haben. Wir alle sind Seelsorger – wenn wir nur bereit sind, zuzuhören.“