Vereint am Tisch

Polen und Deutsche haben gemeinsam des Beginns des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren gedacht. In wechselnden Tischrunden ging es um Gegenwart und Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen.

Am 1. September 1939 begann das größte Inferno des 20. Jahrhunderts: der Zweite Weltkrieg. Aus Anlass des 80. Jahrestags haben das Erzbistum und die Polnische Katholische Mission zu einem Gesprächsforum im Haus St. Vinzenz eingeladen, zu dem 82 Polen und Deutsche kamen. Frömmigkeit, Gegenwart und Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen, aber auch eine europäische Perspektive als Christen waren die Themen bei Tischgesprächen in wechselnden Runden.

Mit dem Überfall Nazideutschlands auf das Nachbarland begann eine traumatische Erfahrung mit fast sechs Millionen Toten. Jede fünfte polnische Familie verlor mindestens ein Familienmitglied, zwei Millionen Menschen leisteten Zwangsarbeit, Landstriche lagen in Schutt und Asche.

In seiner Eröffnungsrede erinnerte Erzbischof Heiner Koch an die Rolle des Erinnerns, das sowohl zum Geschenk als auch zu einer Belastung werden kann und ein friedliches Nebeneinander zu einer Herausforderung macht. Der Gesandte der polnischen Botschaft, Janusz Styczek, machte auf die Kriegsfolgen aufmerksam, die das Leben von drei Generationen von Polen prägten und die bahnbrechende Botschaft der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Glaubensbrüder aus dem Jahr 1965: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Styczek unterstrich die starke polnische Präsenz in Berlin bereits im Kaiserreich und zeigte auf, dass derzeit etwa 100 000 Polen in Berlin leben und die drittstärkste nichtdeutsche ethnische Gruppe bilden. Der Diplomat warf die Frage auf, ob die Phase des Ringens um die Versöhnung angesichts zahlreicher Begegnungsprojekte und einer nahezu reibungslosen Begegnung im Alltag abgeschlossen sei. In einem kurzen Gesprächsimpuls stellte Urszula Pękala die Versöhnung als Prozess dar, der immer noch gepflegt werden müsse.

„Sich nicht verleugnen und andere respektieren“

Kenntnisse übereinander würden den Prozess erleichtern, betonte die Mitarbeiterin am Leibnitz-Institut für europäische Geschichte. In seinen Betrachtungen zum Leben der Christen in einer religiösweltanschaulich pluralistischen Gesellschaft wie in Deutschland, sprach Wolfang Thierse von einer Aufgabe für die Christen, „sich selbst nicht zu verleugnen und die anderen zu respektieren“. Zudem plädierte der ehemalige Bundestagspräsident für ein „Ja“ der Christen zum Pluralismus und ein christliches Selbstbewusstsein in diesem Pluralismus.

Ein gemeinsames Gedenken am Vorabend des Kriegsausbruchs mit musikalischer Umrahmung und humorvollen Alltagsbeobachtungen von Matthias Kneipp aus seinem Buch „111 Gründe, Polen zu lieben“ stieß bei den Teilnehmern auf ein positives Echo. Piotr Golema, Leiter der Konsularabteilung der polnischen Botschaft, gefiel das Veranstaltungskonzept, bei dem die Teilnehmer ihre Erfahrungen austauschen konnten. „Obwohl wir den säkularen Tendenzen unterliegen, haben die polnischen Katholiken immer noch einen größeren Einfluss auf die Staatsdinge“, stellte er fest. „Bei uns sind Homo-Ehen nicht möglich oder dass man das sogenannte dritte Geschlecht einführt“. Caritas-Direktorin Ulrike Kostka machte auf eine inhaltliche Tiefe bei einer lockeren Atmosphäre aufmerksam: „Mein Eindruck ist, dass wir viele Themen berührt haben und dass es gut wäre, weiter zu sprechen. Jeder hat seine eigene Identität, es gibt Unterschiede, aber gerade das ist ein großer Schatz.“

Am Sonntag, 1. September, 10.00 Uhr, fand in St. Joseph (Müllerstr. 161, Berlin-Wedding) ein Pontifikalamt mit Bischof Tadeusz Lytiński (Zielona Gora) statt.


Predigt