„Was ist das mit Gott und mir?“Schwester Thekla Schönfeld über ihre Berufung und die Sehnsucht nach mehr

Schwester Thekla bei ihrer ewigen Profess. Foto: Simone Hermann MMS

 Am 1. Oktober legte Schwester Thekla Schönfeld ihre ewigen Gelübde bei den Missionsärztlichen Schwestern ab. Die Sonderpädagogin arbeitet in der katholischen St.-Hildegard-Schule. Im Interview spricht sie darüber, wie Berufung gehen kann – und was ihr geschenkt ist.

Schwester Thekla, wie sind Sie aufgewachsen und wann haben Sie das erste Mal Ihre Berufung gespürt?

Aufgewachsen bin ich in Kreuzberg mit meinen Eltern und zwei Geschwistern in einer sehr aktiven Gemeinde. Ich habe schon als Kind gemerkt, dass da eine Sehnsucht ist nach „etwas Lebendigem“. Als Kind habe ich es mit „Heimweh“ übersetzt, weil ich das Gefühl nicht kannte, aber heute würde ich sagen, dass es eine Sehnsucht gewesen ist, die mich sehr lange begleitet hat. Es hat sich Stück für Stück herausgeschält, dass es eine Sehnsucht nach mehr ist.

Und wie kamen Sie zu den Missionsärztlichen Schwestern?

Es gab auf meinem Weg der Suche Höhen und Tiefen, es gab Phasen, in denen sie sehr präsent und andere, in denen sie fast nicht da war, in denen ich dachte: „Dann gibt es das wohl nicht für mich.“ An einem Punkt habe ich beschlossen: Jetzt will ich wissen, was das ist mit Gott und mir. Und ich kann dabei eigentlich nur gewinnen. Da habe ich nach einer geistlichen Begleitung gesucht, nach einer Frau, mit der ich reden kann. Eine Freundin von mir kannte die Missionsärztlichen Schwestern in Berlin-Marzahn und sagte: „Die sind gut, da kannst du hingehen.“ Für mich schien das nicht möglich: Ich bin in Kreuzberg groß geworden, da geht man nicht mal eben nach Marzahn. Auch nicht zu einem Gespräch. Und dann habe ich das auch erst nicht gemacht.

Wie kamen Sie dann doch noch hin?

Auf einen sehr guten Rat hin habe ich es dann doch gewagt – und fand es fremd. Die Umgebung – fremd, die Hochhäuser – fremd. Es war so anders, dieser Plattenbau – fremd und sonderbar, und auch die Schwestern so normal, so ungewohnt. Ohne Ordenstracht, ganz bodenständige Frauen. Nachdem ich das innerlich sortiert hatte, habe ich mich darauf eingelassen und bin in der geistlichen Begleitung einen guten Weg gegangen. Ich habe die Gemeinschaft kennengelernt, war zu Gebeten und Gesprächsrunden da. Ich habe gemerkt, dass das Charisma der Schwestern, die heilende Liebe Gottes zu leben, etwas mit mir zu tun hat. Als mir das klar geworden ist, kam zum ersten Mal die Frage: Könnte das etwas für mich sein? Das war wie ein Puzzle, das plötzlich zusammen kommt. 2008 bin ich dann eingetreten.

Wollten Sie auch einmal wieder weg?

Nein, die Entscheidung habe ich seitdem nicht in Frage gestellt.

Und Ihre Familie und Freunde, stellen die die Entscheidung in Frage?

Nein, ich glaube nicht mehr. Ich glaube, sie mussten sich erst daran gewöhnen, weil es ja eine ungewöhnliche Lebensentscheidung ist. Aber mittlerweile sehen sie, dass es mir gut geht und dass ich glücklich bin, und ich glaube, dass sie sich darüber freuen. Das kam auch bei der ewigen Profess zum Ausdruck. Wir haben sehr froh miteinander gefeiert.

Was würden Sie jungen Menschen raten, die auf dem Weg sind, ihre Berufung zu entdecken?

Ich würde ihnen raten, dran zu bleiben und weiter zu suchen. Und sich nicht zufrieden zu geben mit „Das gibt es für mich nicht“. Gott ist da so kreativ, es gibt nicht nur einen Weg, den ich nur finden muss, sondern ich kann ihn selbst suchen und gestalten, und Gott geht mit. Ich glaube, dass der Weg, die eigene Berufung zu finden,manchmal nicht so leicht ist. Man hat bestimmt auch Durststrecken, aber meine Erfahrung ist: Es lohnt sich, dran zu bleiben. Ich glaube, dass es immer ein Mehr im Leben gibt. Egal, in welche Richtung die Berufung geht, ob es eine Berufung zu einer bestimmten Lebensform oder einer bestimmten Tätigkeit ist. Zu entdecken, was Gottes Vision für mein Leben ist, darin liegt ein ganz großer Schatz.

Ihre Gemeinschaft hat noch eine Anzahl jüngerer Schwestern. Was tut sie dafür? Wie kann man das erreichen?

Ich glaube erst einmal, dass jede, die kommt, sich interessiert, ein Stück Weg mitgeht, ein Geschenk ist. Wir haben bei uns die kanonische Mitgliedschaft als Ordensfrau mit Gelübden und die assoziierte Mitgliedschaft, also die Möglichkeit, sich der Gemeinschaft anzuschließen, das Charisma in dem Lebensumfeld zu leben, das ich mir selbst wähle. Auch da ist es ein Geschenk, dass wir mit vielen assoziierten Frauen und Männern unterwegs sind. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich so viel dafür tue. Ich lebe und zeige das, wofür ich stehe, was mir Grund gibt zur Hoffnung. Das verstecke ich nicht. Das kann sich auch in Angeboten wie Oasentagen oder Einzelbegleitung zeigen, aber das ist nicht das Wesentliche, was uns ausmacht. Wir versuchen, unsere Berufung authentisch unter den Menschen zu leben. Das geht auch in Marzahn. Da sind die Menschen nicht in erster Linie religiös suchend und auch da laufen wir nicht mit Bibel und Weihwasser herum, sondern sind in erster Linie präsent.

Wenn Sie an den Tag Ihrer ewigen Profess denken, was kommt Ihnen da in den Sinn?

Das war ein ganz wunderschöner Tag, wirklich ein großes Geschenk. ich bin sehr dankbar für diesen Tag, der wie ein Brennglas meinen bisherigen Weg zusammenfasst, und für die Mitfreude so vieler, dass ich meine Berufung gefunden habe und Ja sagen kann.


Interview: Cornelia Klaebe