Ansprache des Vorsitzenden des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin, Wolfgang Klose, bei der Demonstration gegen das Abschiebegefängnis auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg am Freitag, dem 15. Juni 2012, 17:00 Uhr vor dem Roten Rathaus

Meine Damen und Herren,

als Christen – und ich spreche als Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin zu Ihnen – als Christen können wir nicht anders, als entschieden Nein zum  Abschiebegefängnis auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg zu sagen.

Für uns Christen rührt die Frage von Flucht und Vertreibung an unsere historischen Wurzeln. Jesus selber war ein Flüchtling. Schon als kleines Baby musste er vor den Verfolgern des Herodes nach Ägypten fliehen. Noch viel früher war es das Volk Israel, das vor Sklaverei und Folter aus Ägypten geflohen ist und auf eine lange und gefährliche Flucht durch die Wüste auf sich nehmen musste. Christen müssen deshalb ganz Auge und Ohr sein für die Not der Flüchtlinge, denn wir stammen von Flüchtlingen ab. Ihr Schicksal darf uns in Erinnerung an unsere eigenen geschichtlichen Wurzeln nicht egal sein.

Im Hebräerbrief heißt es: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt“ (Hebr. 13,2). Gastfreundschaft ist eine der großen und alten Tugenden unserer jüdisch-christlichen Tradition. Auch auf diesem Fundament ist Europa gebaut. Die europäischen Länder sind de facto Einwanderungsländer. Deshalb brauchen wir klare und transparente Regelungen für die Einwanderung. Vor allem aber müssen wir erkennen, dass nur einem gastfreundlichen Land die Zukunft gehört – einem Land, das Menschen aus anderen Kulturkreisen als Bereicherung sieht. Offenheit statt ängstliche Abschottung, Gastfreundschaft statt Abschiebung – diesen Mentalitätswechsel brauchen wir dringend!

Menschen auf der Flucht brauchen unsere Solidarität, unsere Hilfe und unsere Unterstützung. Das auf dem Flughafen Willy Brandt gebaute und bezugsfertige Abschiebegefängnis ist das genaue Gegenteil: es verweigert Menschen in Not die Hilfe und Unterstützung, die sie dringend benötigen. Deshalb können Christen auf dem Fundament ihrer Tradition und ihres Glaubens nicht anders, als entschieden zu protestieren gegen das Abschiebegefängnis auf dem Willy-Brandt Flughafen. Das Flughafenverfahren bedeutet für die Flüchtlinge einen Verlust an Rechtsstaatlichkeit und einen Verlust an Humanität, wenn selbst Kinder ohne Trost und Behütung inhaftiert werden und in unsichere Herkunftsländer abgeschoben werden können. Das ist barbarisch.

Menschen, die bei uns Schutz suchen, müssen Zugang zu einem regulären Asylverfahren bekommen. Deshalb sagen wir Nein zum Abschiebegefängnis auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg.