Fürstenwalde (KNA) Es kommt nicht alle Tage vor im Bernhardinum von Fürstenwalde, aber doch einmal im Jahr. Dann laden Abiturienten des katholischen Gymnasiums Prominente zum "Polit-Talk" ein. Linken-Leitfigur Gregor Gysi war schon da, auch Brandenburgs frühere Justizministerin Beate Blechinger (CDU). Am Freitag kam Landesbildungsministerin Martina Münch (SPD) in das Schulzentrum, das die Erzdiözese Berlin vor 22 Jahren gründete.
"Ich würde gut hier reinpassen", wirbt die 53-Jährige. Sie spielt damit auf ihr Engagement in der katholischen Kirche an. Doch Eis braucht sie nicht zu brechen bei den rund 50 Schülern des Kurses "Politische Bildung", die von Zehn- und Elfklässlern unterstützt werden. Sie sind gut vorbereitet auf die Begegnung mit der Frau, die ihre derzeitige Lebensphase entscheidend mitprägt.
Zunächst stellt die Ministerin ihren eigenen Werdegang vor. Dann geht es in gut eineinhalb Stunden um die Reizthemen der Bildungsdebatte: Pisa-Schock und Fachkräftemangel, das Kurssystem der Oberschüler und das Abitur nach 12 Schuljahren. Und über "Mathe". Vor allem dieses Fach macht den 18-Jährigen vor der Reifeprüfung zu schaffen. "Warum soll ich Kurven diskutieren, wenn ich doch viel lieber eine weitere Sprache lernen würde", bringt es eine Schülerin auf den Punkt.
Bei der Ministerin stößt sie gerade damit auf Granit, wenn auch - wie alle ihre Antworten - freundlich verpackt. "Ich kann das sehr gut nachempfinden", räumt Martina Münch ein, "doch auch Mathematik gehört zu einem breiten Allgemeinwissen". Sie verweist auf Deutschlands Nachholbedarf bei diesem Fach in den Pisa-Studien. Fast stolz fügt sie hinzu, dass die Brandenburger Schüler - besonders im Vergleich mit den Berlinern - bundesweit im Spitzenbereich liegen.
Auch mit ihrem eigenen Beispiel kann die gebürtige Heidelbergerin belegen, dass Interesse an Kultur- und Naturwissenschaften durchaus zusammengehen können. Nach dem Abitur an einem Humanistischen Gymnasium studierte sie Medizin. "Ich wollte in die Wissenschaft", verrät sie. Einige Zeit lang gelang ihr dies auch am Berliner Universitätsklinikum Rudolf Virchow. Doch dann kam 1995 der Wechsel nach Cottbus, wo ihr Mann, ebenfalls Arzt, "die Kardiologie aufbaute", - und es kamen sieben Kinder.
Ein Vergleich mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen - ebenfalls gelernte Medizinerin und siebenfache Mutter - ist da wohl unvermeidlich. Denn auch Martina Münch ist eine "Power-Frau". Aus der Lausitz startete sie vor 15 Jahren politisch durch, erst in der Cottbusser Kommunalpolitik, dann bis ins Landeskabinett. Dort stand sie an der Spitze des Wissenschaftsministeriums, bevor sie 2011 ins Bildungsressort wechselte. "Ich bin auf Umwegen angekommen", bilanziert die Ministerin. Auch mit Blick auf ihren Werdegang rät sie ihren Zuhörern, sich nicht zu zeitig fachlich zu spezialisieren.
Auch in anderer Hinsicht wendet sich die SPD-Politikerin dagegen, zu früh zu trennen, was nach ihrer Ansicht zusammengehören sollte. Sie outet sich als "großer Fan" des finnischen Schulsystems, das die Kinder möglichst spät nach ihren Leistungen differenziert. Zugleich mahnt sie aber zum Realismus: "In Deutschland gäbe es Wut und Empörung, wenn das Gymnasium abgeschafft würde."
Eindringlich wirbt Martina Münch auch für die "Inklusion", das gemeinsame Lernen behinderter und nichtbehinderter Schüler. "Wenn stärkere Schüler den schwächeren helfen, lernen sie Rücksicht und verfestigen ihr Wissen." Auch ihren Zuhörern rät sie trotz "wachsendem Schulstress" zum Optimismus: "Ich glaube nicht, dass das nächste Abitur schlechter ausfällt als das in den vergangenen Jahren."