Freie Schulträger Weiter in Bedrängnis wegen Inflation und steigender Kosten

Die Schirmherrin des 20. Tages der Freien Schulen Berlin, Professorin Barbara John, brachte es auf den Punkt. Beim Pressegespräch im Deutschen Theater fragte sie: „Warum sind die freien Träger die Sparbüchse im Berliner Bildungssystem? Warum folgt das Geld nicht den Schülern?“

Denn obwohl jedes zehnte Berliner Kind eine öffentliche Schule in freier Trägerschaft besucht, Tendenz steigend, gibt es bei der Finanzierung keine Gleichbehandlung mit den staatlichen Schulen. In den vergangenen 19 Jahren hat sich die finanzielle Situation der freien Schulen nicht verbessert. Nach wie vor erhalten die 131 freien Träger der Stadt Berlin nur eine Grundfinanzierung von 93 Prozent der durchschnittlichen Personalkosten einer öffentlichen Schule, das Kürzungsniveau von 2003. Wichtige Anliegen der Bildungspolitik wie Inklusion oder Diversity müssen sie aus anderen Quellen finanzieren, wie etwa dem Elternbeitrag, oder können diese erst gar nicht umsetzen. Insgesamt erhalten sie rund zwei Drittel ihrer Gesamtkosten als Zuschuss vom Land. Ohne Sachkosten, ohne Kosten für Sozialarbeiter:innen oder Weiterbildungen, die Liste ist lang.

Vor diesem Hintergrund geraten die freien Schulen durch die derzeitige Inflation und die sprunghaft steigenden Energiekosten weiter in Bedrängnis. Die Finanzvorständin der Evangelischen Schulstiftung in der EKBO, Christina Lier, erklärt: „Unsere Kosten haben sich alleine beim Strom verdreifacht. Zahlten wir als größter freier Träger der Region vor einem Jahr noch rund 310.000 Euro, werden es in 2023 mehr als eine Million Euro sein.“ Diese Situation sei für alle - insbesondere für kleine Träger -lebensbedrohlich. Denn, erklärt Lier: „Alles Sparen hat Grenzen, darum brauchen wir einen dauerhaft erhöhten Zuschuss und eine Beteiligung bei den Sachkosten.“

Bei vielen Trägern geht es jetzt um die Existenz. In Berlin fehlen ohnehin bereits 20.000 Schulplätze. Denn nun kommen die geburtenstarken Jahrgänge in die Schule. Der Trend wird sich also noch über Jahre fortsetzen, bis in die Sekundarstufen. Professorin Dr. Birgit Hoyer, Bereichsleiterin Bildung im katholischen Erzbistum Berlin, meint: „Was sollen wir tun? Unsere fast 8.000 Schulplätze auf die fehlenden Schulplätze in Berlin noch oben drauflegen? Nein – wir müssen gemeinsam mit dem Land Lösungen finden!“

Und die bieten die freien Schulen dem Land Berlin erneut an. Julian Scholl, Geschäftsführer der freien Walddorfschulen Berlin, erklärt: „Wir könnten kurzfristig 1.000 weitere Schulplätze schaffen und langfristig 5.000 weitere – aber nur bei einer entsprechenden Bezuschussung durch das Land Berlin.“ Man habe ja auch rund 18 Prozent der ukrainischen Schüler:innen kurzfristig und unbürokratisch in den freien Schulen untergebracht: „Bisher ohne entsprechende zumindest anteilige Gegenfinanzierung durch das Land!“

Der Lehrer:innenmangel und die Verbeamtung in Berlin führen zu einem noch stärkeren Wettbewerb um gut ausgebildete Pädagog:innen. Doch das Problem wurzelt in dem Monopol, das das Land bei der Ausbildung von Lehrer:innen innehat. Freie Schulen dürfen zwar Referendar:innen ausbilden, jedoch nur auf eigene Kosten. Darüber hinaus dürfen die Lehrer:innen freier Schulen die Fort- und Weiterbildungen nur besuchen, wenn noch Plätze frei sein sollten. „Wir werden auch hier systematisch benachteiligt“, erklärt Birgit Hoyer.

Die Schirmherrin Professor Barbara John betont: „Wenn Berlin wirklich eine offene demokratische Gesellschaft sein will, dann müsste es eine diverse Bildungslandschaft zum Ziel haben.“

Im Schuljahr 2020/21 besuchten in Berlin 38.792 Schülerinnen und Schüler eine der 131 allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft. Damit vertrauen mehr als 10 Prozent der Berliner Eltern ihr Kind einer Schule in freier Trägerschaft an. Im neuen Schuljahr werden erstmals über 40.000 Schülerinnen und Schüler erwartet.

Andreas Wegener, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen, erklärt: „Wir gehen davon aus, dass die beiden Schirmherrinnen, Senatorin Busse und Professorin John, mit uns den Impuls aufnehmen werden, freie Schulen künftig fair auszustatten. Das hatte die Senatorin in Aussicht gestellt. In ihrem Grußwort betont sie: „Ich habe alle Schulen in Berlin im Blick!“

Unter dem Motto „Wir sind Bildung“ findet am 18. September 2022, von 13 bis 15 Uhr, der 20. Tag der Freien Schulen Berlin auf dem Vorplatz des Deutschen Theaters statt. Im Anschluss diskutieren die Vertreter:innen der Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen Berlin mit bildungspolitischen Sprecher*innen aus dem Abgeordnetenhaus.