In der Mitte der GemeindeWenn der Pfarrer im Caritas-Seniorenzentrum lebt

Hedwig Nowak freut sich über den Besuch von Pater Theo. In die Gottesdienste im Seniorenzentrum kommt die 102-Jährige noch regelmäßig. Foto: Herrmann

Hedwig Nowak lacht über das ganze Gesicht, als Pater Theodor Wenzel zu ihr in den Gemeinschaftsraum kommt. Pater Theo geht in die Hocke, damit Frau Nowak ihn besser verstehen kann. Sie hört nicht mehr so gut. Die älteste Bewohnerin des Caritas-Seniorenzentrums „Albert Hirsch“ wird in wenigen Wochen 103. Sie zehre, so Viola Schulz, Pflegedienstleitung der Caritas-Einrichtung in Frankfurt (Oder), von den Besuchen der Geistlichen, von Pater Theo und seinen beiden Mitbrüdern. Auch Pater Theo zehrt von diesen Begegnungen: „Auf dem Gang oder im Essenssaal, in der Kapelle oder hier im Gemeinschaftsraum, wird es spürbar, wie froh die Menschen sind, dass wir hier leben.“

185 alte Menschen wohnen im Seniorenzentrum der Caritas, das aus einem Seniorenwohnhaus und einem Pflegeheim sowie einer Tagespflege besteht. Die drei Männer der Ordensgemeinschaft Missionare Identes senken den Altersschnitt deutlich. Die Senioren gewähren Pater Theo, Pater Carlos und dem vor kurzem eingezogenen Novizen Asyl, bis das Pfarrhaus in Frankfurt (Oder) saniert sein wird. Es handelt sich um ein einmaliges Modell im Erzbistum Berlin, fruchtbar für den Pastoralen Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“.

Findungsphase abgeschlossen

Pater Theo ist Pfarreradministrator der beiden Pfarreien Heilig Kreuz in Frankfurt (Oder) und St. Johannes Baptist in Fürstenwalde. Er zeichnet verantwortlich für 5.100 Katholiken zwischen der Oder in Frankfurt und Alt Buchhorst, 700 Fahrkilometer legt er pro Woche zurück. Der 54-Jährige befindet sich mit seinen beiden Kirchengemeinden am Ende der Findungsphase. Ende April wollen die Verantwortlichen ihren Vorschlag an das Erzbistum weiterreichen, einen Pastoralen Raum aus den Pfarreien Fürstenwalde, Frankfurt (Oder) und Müncheberg zu bilden. „Wir sind in einem langen Prozess zu einem Ergebnis gekommen. Das ist für alle Beteiligten befreiend. Es gab viele Durststrecken, Höhen und Tiefen, Auseinandersetzungen innerer und äußerer Art, die alle wichtig waren, damit wir am Ende nicht sagen: wir haben uns etwas überstülpen lassen. Jetzt können wir uns endlich wieder von Strukturfragen verabschieden und dem neuen Raum pastorales Leben einhauchen“, freut sich Pater Theo auf die Entwicklungsphase.

Sein besonderes Augenmerk gilt dabei den sogenannten „Orten kirchlichen Lebens“ wie dem Schulzentrum in Fürstenwalde, den Caritas-Initiativen, den beiden Kitas, der Hochschulseelsorge an der Europa-Uni „Viadrina“. Die Zeit im Caritas-Seniorenzentrum „Albert Hirsch“ nennt er außergewöhnlich. Mit Seniorenarbeit habe er bislang nur wenig zu tun gehabt, „außer im Umgang meiner Mutter“, gibt Pater Theo frei weg zu. „Nun bekomme ich hier die einmalige Chance, ein solches Haus von innen kennenzulernen, nicht nur als Gast, sondern als Bewohner.“ Er sehe die Einrichtung mittlerweile mit ganz anderen Augen und verstehe ihre Probleme besser. Der Pfarrer versteht seinen Auftrag nun darin, das Seniorenzentrum mit in die Mitte des Gemeindelebens zu rücken und die Seelsorge im Zentrum zu intensivierten.

Pater Theo sitzt in der Dienstbesprechung der Hausleitung. Christine Leisering, Leiterin des Seniorenwohnhauses, Viola Schulz, Pflegedienstleitung des Pflegeheimes, Sophia Zielke, Leitung des Sozialen Dienstes und Kerstin Diehsner von der Buchhaltung kommen täglich zusammen. Pater Theo sucht vor allem den Kontakt zu den Mitarbeitern, während sein Mitbruder Pater Carlos sich stärker um die Bewohner des Seniorenzentrums kümmert.

Mitarbeiter und Bewohner im Blick

Die Frauen des Leitungsteams betrachten die Ordensmänner im Haus als Gewinn. Die lockere und fröhliche Atmosphäre der Dienstbesprechung spiegelt das gegenseitige Vertrauen wieder, das in den vergangenen Monaten zwischen Pfarreileitung und Hausleitung gewachsen ist. „Die Senioren genießen die Nähe und das Gespräch unabhängig von der Pflege“, berichtet Viola Schulz über die Beziehung zwischen Seelsorgern und Bewohnern. Nach einer Zeit des Kennenlernens sei ein Vertrauensverhältnis, wie es sonst nur Ärzte genießen, entstanden und das, obwohl bloß 30 Prozent der Bewohner einen christlichen Hintergrund mitbringen, also 70 Prozent weder evangelisch oder katholisch sind.

Auch von den Beschäftigten gehören nur wenige zur katholischen Kirche. Viola Schulz ergriff daher die Möglichkeit, die die Präsenz der Patres im Haus bietet, um eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Seelsorge und Pflege zu erreichen: „Wir sensibilisieren unser Pflegepersonal. Sie sollen erkennen, dass ein Seelsorgegespräch den Bewohnern gut tun kann und sich an die Seelsorger wenden, wenn sie spüren, dass ein Bewohner eine intensivere Zuwendung benötigt.“ Pater Theo plant nun Einkehrtage für Mitarbeiter sowie für die 40 Ehrenamtlichen, die sich im Haus engagieren.

Mehr Vernetzung für mehr Kirche

Im Rahmen der Findungsphase begannen aber auch die Verantwortlichen der Caritaseinrichtung die Präsenz des Seniorenzentrums in einem Pastoralen Raum anders wahrzunehmen. So nahm Christine Leisering erstmals an einem Austausch auf Dekanatsebene teil. Die evangelische Christin lernte das katholische Leben in den umliegenden Pfarreien kennen mit den verschiedensten Gemeinden und kirchlichen Orten. Christine Leisering hofft auf eine intensivere Vernetzung zwischen den einzelnen katholischen Institutionen Frankfurts. „Bislang haben wir wenig Kontakt zur katholischen Hochschulgemeinde an der Viadrina. Aber vielleicht lässt sich in Zukunft die Idee eines Freiwilligendienstes umsetzen?“ Ebenfalls gebe es wenig Kontakt zur katholischen Kita, die am anderen Ende der Stadt von der Pfarrei betrieben wird. Auch hier könnte sich Christine Leisering mehr Miteinander vorstellen zum Wohle der Kinder und zum Wohle der Senioren. Vor kurzem tagte nun erstmals der Pfarrgemeinderat im Seniorenzentrum. Ebenso besucht demnächst der Caritashelferkreis der Pfarrei erstmals die Caritaseinrichtung.

Pater Theo denkt weiter. Das Seniorenzentrum „Albert Hirsch“ bilde das einzige katholische Seniorenheim im künftigen Pastoralen Raum. „Warum sollten nicht Kontakte entstehen zwischen der Gemeinde in Müncheberg und der Einrichtung hier? Warum sollten nicht Schüler des katholischen Schulzentrums in Fürstenwalde Projekte für Senioren in Frankfurt gestalten? Warum sollte nicht der Caritashelferkreis der Pfarrei Heilig Kreuz seinen Besuchsdienst auf das Seniorenzentrum ausweiten?“, sieht er zahlreiche Chancen für mehr katholisches Leben durch bessere Vernetzung. „Kirche kann auf diese Weise präsenter unter den katholischen Christen werden, aber auch unter den Menschen, die noch wenig vom Evangelium wissen.“