"Jedes Leben ist einzigartig und unersetzbar"Hans-Joachim Ditz zum Flugzeugabsturz

Wort zum Tage für Deutschlandradio Kultur am 25. März 2015 von Hans-Joachim Ditz, Pastoralreferent in Berlin. Aus aktuellem Anlass aktualisierte Version:

"Katastrophen kommen ungeplant. Sie brechen über uns herein. In unserem  Bestreben, alles im Griff zu haben, möglichst alle Fehler auszumerzen und größtmögliche Sicherheit zu garantieren, lassen uns Katastrophen erschüttert und ratlos zurück. Gestern sind beim Absturz der Germanwings-Maschine 4U 9525 in den Französischen Alpen auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf nach jetzigen Schätzungen 150 Menschen ums Leben gekommen, darunter viel Deutsche, auch eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern mit ihren Lehrern auf dem Weg zurück von einem Schüleraustausch in Katalonien. Wie konnte es dazu kommen?

Auch wenn Experten eine Antwort auf diese Frage finden werden, das Wissen um die Ursache, die Kenntnisse technischer Details werden kaum den Schmerz der Angehörigen lindern, der Eltern, Partner und Freunde der Opfer. Den Opfern gelten unsere Gebete und den Angehören unser ganzes Mitgefühl: "Gott, du Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes, sei mit ihnen." (2 Kor 1,3)

Doch wie kann ein Gott des Trostes und des Erbarmens so unbarmherzig sein? Wie kann er eine solche Katastrophe, im Wortsinn die Wendung zum Absturz nur zulassen?

Es gibt Fragen, die nicht beantwortet werden, sondern gelebt werden wollen. Die Theodizee-Frage, die Frage nach Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit angesichts der Katastrophen in der Welt, gehört ohne Zweifel zu diesen Fragen. Sie kann nicht beantwortet werden. Sie muss als Klage gegenüber Gott ausgehalten werden. Sie will gelebt werden in der Begleitung mit den trauernden Angehörigen. Wenn angesichts solcher Katastrophen überhaupt noch irgendwie die Rede vom menschenzugewandten Gott zu halten ist, dann nur durch Mitmenschen, die im Angesicht der Katastrophe nicht davon laufen, sondern bei den Betroffen ausharren, ihre Trauer und Klage aushalten, ihre Tränen trocknen. Und keinen billigen Trost spenden, sondern lieber schweigen.

Katastrophen kommen ungeplant. Es wird mutmaßlich nicht der letzte Flugzugabsturz sein, den wir beklagen, nicht die letzten Opfer, die wir betrauern werden. Schon bald werden andere Nachrichten auch diese Katastrophe aus den Schlagzeilen verdrängen und schließlich ganz vergessen lassen. Auch wenn wir das Schicksal nicht ändern können, wir dürfen uns damit nicht abfinden. Jedes Leben, das ausgelöscht wird, ist kostbar, einzigartig und deshalb unersetzbar. So wichtig professionelle Notfallseelsorge auch ist, wir sollten niemals an Routine gewinnen im Umgang mit Katastrophen. Wir sollten immer aufbegehren gegen den Tod.

In anderthalb Wochen feiern wir Ostern, das Fest der siegreichen Rebellion gegen den Tod."