Steine, die für das Leben stehen

Viele Gläubige aus dem Erzbistum Berlin spendeten dem Altar „ihren“ Stein. Foto: Detlef Bluhm

Nach zweijähriger Unterbrechung begingen Katholiken aus dem Erzbistum Berlin das Fronleichnamsfest wieder mit einer Prozession durch das Berliner Zentrum. Eine besondere Rolle spielten dabei viele „lebendige Steine“.

„No way they are catholic!“ Auf keinen Fall sind das Katholiken, sagt der junge Mann, der auf einer Treppe am Berliner Gendarmenmarkt sitzt und den lauen Sommerabend zusammen mit seiner Begleiterin genießt, als die Fronleichnamsprozession von mehr als 2000 Katholiken aus dem Erzbistum Berlin singend an ihnen vorbeizieht. „Yes, yes, they are for sure!“ Doch, doch, das sind sie, ganz sicher, entgegnet die Begleiterin.

Es ist ein Wortwechsel, der so an Fronleichnam andernorts in Deutschland, in Fulda oder München etwa, wohl kaum denkbar wäre. In Berlin aber, der Stadt, „in der es statt Mehrheiten vor allem Minderheiten gibt“ (O-Ton Erzbischof Heiner Koch), ist es etwas außergewöhnliches, wenn katholisches Leben so sichtbar zutage tritt. So erklingen aus den Lautsprechern entlang der Strecke durch Berlins Mitte neben christlichen Liedern zum Mitsingen auch Redebeiträge, die erklären, worum es bei diesem Hochfest, der in der Berliner Diaspora kein gesetzlicher Feiertag ist, eigentlich geht: die bleibende Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie. Aber auch darum, Gott auf die Straße, in die Gesellschaft zu tragen.

„Lebendige Steine“ stehen im Mittelpunkt

Weil die Umbauarbeiten in der Sankt Hedwigs-Kathedrale noch bis Ende 2024 andauern werden, fand der Festgottesdienst vor der Prozession wieder auf dem benachbarten Bebelplatz statt. In diesem Jahr stand die Messe ganz unter dem Motto „Lebendige Steine“. Bereits vor Monaten hatte das Erzbistum sein Vorhaben vorgestellt, den neuen Altar der Bischofskathedrale per Spezialverfahren aus vielen kleinen Steinen zu gießen, die Gläubige aus dem Bistumsgebiet beisteuern sollen. Am 1. November 2023 soll der Altar dann geweiht werden, 250 Jahre nach der Weihe des ersten Altars von Sankt Hedwigs- Kathedrale.

„Steine sind Lebewesen, sie stehen für unser Leben in seinen hellen und in seinen dunklen, in seinen frohen und schmerzhaften Erfahrungen und Seiten. Sie stehen für uns und unser Leben“, sagte Erzbischof Heiner Koch in seiner Predigt. Wie eine Schale werde demnach der neue Altar aussehen, in den die Gläubigen an diesem Tag ihre Hoffnungen, Wünsche und Gefühle sinnbildlich hineinlegen sollten. „Denn in Christus sind und bleiben wir geborgen“, so der Erzbischof.

Verbindungen, die bleiben werden

Als die Ministranten dann mit Sammelkörben durch die Reihen gehen, geben viele Anwesende ihren ganz eigenen Stein hinzu. Darunter auch Claudia Guhl, die mit zwei Freundinnen zur Prozession gekommen ist. Zwar bedauert die ehemalige DDR-Bürgerin und stolze Katholikin, dass die neue Sankt Hedwigs-Kathedrale nicht mehr die markante offene Unterkirche enthalten wird. Auch sonst ist die nicht eben auf den Mund gefallene Berlinerin längst nicht mit allem einverstanden, was sich im Erzbistum abspiele.

Einen Stein für den neuen Altar hat sie dennoch beigesteuert. Besser gesagt: einen halben Stein. Die andere Hälfte, erzählt sie, werde sie ihrem Sohn vermachen, der zum jüdischen Glauben konvertiert sei. Und damit, so die Berlinerin, eine ganz besondere, bleibende Verbindung schaffen.