Berlin (KNA) Das Sanierungsprojekt der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale steht vor einer wichtigen Weichenstellung. Am 30. Juni entscheidet die Jury über die Siegerentwürfe im Architekten-Wettbewerb. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nahm Friedhelm Mennekes (74) am Donnerstag Stellung zu dem Projekt. Der in Frankfurt/Main lebende Jesuit zählt zu den renommiertesten katholischen Kunstexperten. Bei der Sanierung steht vor allem das Kircheninnere zur Debatte, das der Architekt Hans Schwippert (1899-1973) beim Wiederaufbau nach 1945 gestaltete.
KNA: Herr Pater Mennekes, wie erleben Sie die Sankt-Hedwigs-Kathedrale in ihrer gegenwärtigen inneren Gestalt?
Mennekes: Ich habe mich immer an der großen Bodenöffnung vor dem Altar gestört. Mit ihrer Treppe führt sie zur Krypta. So sieht man die Säule, welche die Altäre oben und unten miteinander verbindet und trägt; ebenso die Verbindung der Gemeinde mit ihren verstorbenen Bischöfen und anderen bedeutenden Gestalten des Erzbistums wie dem seligen Dompropst Bernhard Lichtenberg, die in der Unterkirche ruhen. Doch das Loch trennt die oben versammelte Gemeinde auch rechts und links in zwei Gruppen. Dies ist eine unheimlich starke Beeinträchtigung der ursprünglichen Raumidee, die sich am antiken Pantheon in Rom orientiert.
KNA: Welchen architektonischen Wert hat Schwipperts Konzept?
Mennekes: Ich schätze Schwippert nicht nur von seinem Lehrer her, dem wegweisenden Architekten Rudolf Schwarz, sondern auch von einer von ihm restaurierten Kirche her, die mir sehr am Herzen liegt. Es ist die romanische Doppelkirche Sankt Maria und Sankt Clemens in Schwarzrheindorf bei Bonn, eine Klosterkirche, wo ein Altar Laien und Kleriker eint, ein tolles Konzept für ein Gotteshaus; doch für eine Bischofskirche sind weitere Gesichtspunkte von Gewicht.
KNA: Welche Kriterien halten Sie für wesentlich, auch als Priester, der selbst am Altar steht?
Mennekes: Ein Priester steht im Zentrum, eine Kathedrale ist das symbolische Zentrum eines Bistums. Es spricht für Erzbischof Woelki, dass er das offensichtlich spürt. Es geht ihm bei dem Projekt einer Neugestaltung um das pastorale Anliegen, die Menschen um den Altar zu versammeln, wie es die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) vorgibt.
KNA: Dagegen stehen aber die Erfordernisse der Denkmalpflege?
Mennekes: Ich habe selbst viele Jahre in ähnlichen Zusammenhängen mit der Denkmalpflege verhandelt. Es fand sich fast immer irgendwo ein Vermittlungskonzept, das zu einer Einigung führte. Denkmalpfleger sind kluge Menschen und lassen sich auch auf pastorale Argumente ein. Schwierig scheint mir, dass die Entscheidung nun an einem Tag fallen soll, vielleicht braucht es noch etwas mehr Zeit und Nachdenklichkeit, um Fronten von Gegnern und Befürwortern zu überbrücken.
KNA: Welche Mindeststandards sollten für eine neue architektonische Lösung gelten?
Mennekes: Ich plädiere für einen Weg der Vermittlung zwischen pastoralen und denkmalpflegerischen Anliegen. Dafür könnte ein geeignetes Material stehen, das zwischen oben und unten vermittelt. Die Aspekte der Denkmalpflege wollen ernst genommen werden, selbst wenn sie nicht immer durchschlagend sind. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit ihr gemacht, auch wenn es manchmal dazu führte, dass wir unsere ursprünglichen Vorsätze aufgeben mussten.
KNA: Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Skandal um das Limburger Diözesanzentrum für das Berliner Projekt?
Mennekes: Die Frage der Finanzierung muss immer offen verhandelt werden. Es ist ja bereits klar, dass das Erzbistum das Projekt nicht alleine stemmen kann, sondern weitere Unterstützer braucht. Es geht dabei auch um die besondere Förderungswürdigkeit, die ein Projekt in der Bundeshauptstadt beanspruchen darf.
KNA: Worin sehen Sie die Symbolkraft der Kathedrale?
Mennekes: In der ungewöhnlichen Form einer Rundkirche fällt sie auf, obwohl sie am Bebelplatz bescheiden am Rande steht. Das bekommt dem Katholizismus in Berlin sehr gut. Religion spielt dort keine zentrale Rolle mehr, aber sie muss sich durchaus den Fragen der Gesellschaft stellen.
KNA: Also verdient das Projekt Unterstützung aus ganz Deutschland?
Mennekes: In vielfacher Hinsicht. Das architektonische Vorbild der Kathedrale, das Pantheon, diente der Verehrung aller Götter Roms und stand damit für Integration. Dieses Thema ist auch für Deutschland ganz wichtig. So schmerzt immer noch die Wunde der früheren Teilung zwischen Ost und West. Da kann die Kathedrale in der Mitte der Hauptstadt ein Zeichen der Einheit sein.
Zur Person: Friedhelm Mennekes
Der Jesuitenpater Friedhelm Mennekes (74) gehört zu den renommiertesten Kennern und Förderern von Kunst in der katholischen Kirche. Er wurde am 6. März 1940 in Bottrop geboren und trat 1961 in den Jesuitenorden ein. In Bonn, München und Frankfurt/Main studierte er Theologie, Philosophie und Politik. Nach der Promotion war er ab 1980 Professor für Praktische Theologie und Religionssoziologie in Sankt Georgen.
Sieben Jahre später kam er nach Köln, wo er bis 2008 Pfarrer an der Jesuitenkirche Sankt Peter war. Dort gründete er ein Zentrum für zeitgenössische Kunst, die "Kunst-Station Sankt Peter". Zudem hatte er zahlreiche Lehraufträge in Deutschland, Österreich, Großbritannien und den USA.
Der Jesuit wird von Experten als Vermittler zwischen Kunst und Kirche geschätzt. In Ausstellungen, Vorträgen und Künstlergesprächen suchte er den Dialog mit Persönlichkeiten wie Joseph Beuys, Francis Bacon, Antonie Tapies und Alfred Hrdlicka. Heute lebt Mennekes in der Jesuiten-Kommunität in Frankfurt/Main.