„Mittlerweile könnten wir hier einen weiteren Religionslehrer einstellen mit einer vollen Stelle.“ Maria Bexten unterrichtet katholische Religion im Bereich der Pfarrei Pasewalk. Sie lehrt an zwei Gymnasien und einer Grundschule sowie in Räumen der Pfarrei. Blickt sie in die Schülerstatistik der Schulen in der Region, stellt sie fest, ihr Engagement reicht längst nicht mehr aus. „Es gibt neuerdings Grundschulen wie in Jatznick, da werden immer mehr katholische Kinder eingeschult, aber dort gibt es keinen Religionsunterricht, weder evangelisch noch katholisch.“
Die Pfarrei St. Otto in Pasewalk wächst. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der katholischen Christen verdoppelt. Waren es Anfang 2005 knapp 1.000 Katholiken, sind es heute rund 2.000. Zählte die Pfarrei Pasewalk mit ihren Filialen in Strasburg und Viereck früher zwei bis drei Taufen im Jahr, sind es mittlerweile 15. Bis Ostern wird Pfarrer Grzegorz Mazur in diesem Jahr acht Kinder getauft haben. Die Pfarrei wird perspektivisch weiter wachsen, eine Entwicklung, die für den Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“ eine große Rolle spielt.
Zuzug polnischer Katholiken
„Allein in Löcknitz und Umgebung leben mittlerweile rund 800 Katholiken, fast alle kommen aus Polen.“ Pfarrer Mazur spricht von einem neuen „katholischen Ballungszentrum“ in seiner Pfarrei. 25 Kilometer sind es auf der B 104 von Löcknitz nach Stettin. Stettin boomt. Die Wohnungs- und Hauspreise auf polnischer Seite steigen. In den Ortschaften auf deutscher Seite stehen dagegen zahlreiche Häuser zum Verkauf. Die hohe Arbeitslosigkeit in der Grenzregion in Vorpommern hat viele deutsche Frauen und Männer gezwungen, die Heimat zu verlassen. Die Häuser ihrer Eltern und Großeltern verkaufen sie zu niedrigen Preisen. Junge polnische Familien nutzen seit dem Beitritt ihres Landes zur EU und zum Schengen-Raum diese Chance und schaffen sich ein neues zu Hause in der ruhigen deutschen Grenzregion. Sie arbeiten tagsüber in Polen und leben mit ihren Familien in Deutschland. Die Pfarreien an der deutsch-polnischen Grenze wachsen daher kontinuierlich. Mazur: „50 Prozent der Katholiken in der Pfarrei Pasewalk stammen bereits aus Polen, in Prenzlau sind es 30 Prozent und in Schwedt 20 Prozent.“
„Die Kirche ist lebendiger geworden und wesentlich jünger.“ Pfarrer Mazur berichtet von der Freude älterer Pfarreimitglieder, dank polnischer Katholiken wieder besser besuchte Gottesdienste in ihrer Heimatkirche zu erleben. Der Pater vom Orden der Redemptoristen ist selbst Pole. 1999 hat ihn seine Gemeinschaft nach Deutschland entsandt. In Pasewalk fühlt er sich am richtigen Ort. Dank Pfarrer Mazur ist es möglich, in den Gottesdiensten der Pfarrei nicht mehr nur deutsch zu sprechen. Begrüßung, Lesung, Evangelium, selbst einige Predigtworte erfolgen in einigen Messfeiern auch in Polnisch. „Wenn die Gäste bei einer Taufe aus Polen kommen, dann feiere ich die Taufe auch mal in polnischer Sprache.“ Pfarrer Mazur erzählt von der Vorbereitung zur Erstkommunion. Drei Viertel der Kinder, die in Pasewalk zum ersten Mal zum Tisch des Herrn gehen, haben polnische Eltern. Die Elternabende finden daher in der Regel zweisprachig statt, die Erstkommunionvorbereitung für die Kinder dagegen allein in Deutsch. In der eigentlichen Feier zelebriert Pfarrer Mazur einige Teile auch in Polnisch.
Findungsphase in der Findungsphase
„Einige in unserer Pfarrei denken, dass wir nichts in polnischer Sprache anbieten sollten. Vielmehr verlangen sie, dass sich die Polen, die zu uns kommen, sofort gut in die bestehende Pfarrei integrieren.“ Pfarrer Mazur benennt die Probleme, die die neue Situation seiner Pfarrei mit sich bringt. Er spricht von einem längeren Prozess der Integration und Herausforderungen, vor denen beide Seiten, polnische wie deutsche Katholiken, stehen. „Wir können nicht erwarten, dass die Leute herkommen und so werden wie wir. Sie bringen eine andere katholische Tradition und Frömmigkeitskultur mit. Beide Traditionen miteinander zu verbinden, gestaltet sich für beide Seiten nicht einfach.“
„Wir stehen erst am Anfang, einen Weg des Miteinanders zu finden zwischen der alten Gemeinde und dem Neuen, was durch den Zuzug polnischer Katholiken aufbricht“, meint Maria Bexten. Die Pfarrgemeinderatsvorsitzende von Pasewalk spricht von einer ganz eigenen Findungsphase in ihrer Pfarrei zwischen polnischen und deutschen Katholiken, die noch mehrere Jahre brauche. Von der Findungsphase im Pastoralen Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“ fühlt sie sich ein wenig überrollt, stünden in Pasewalk doch momentan ganz andere Hausaufgaben an.
„Ich habe Angst, dass wir statt Raum gewinnen, die Menschen verlieren.“ Lilianna Schultz kommt aus Poznań. Seit 20 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Pasewalk. Sie spricht ganz offen über ihre Befürchtung, dass sich hinter dem Pastoralen Prozess des Erzbistums ein Rückzug der Kirche aus der Fläche versteckt. Sie beschreibt ihre Angst, in einer Pfarrei, mit einer Fläche fast doppelt so groß wie Berlin, Kirchorte zu verlieren, während auf polnischer Seite in Grenznähe Kirchen gebaut werden. Diese Konstellation könnte die Integrationsbemühungen der neuen Pfarreimitglieder aus dem Nachbarland erschweren. Ihr 18-jähriger Sohn Alexander fordert eine stärkere Zusammenarbeit der beiden Erzbistümer Berlin und Stettin. Politisch und wirtschaftlich sehe die Stadt Löcknitz längst in der Metropolenregion Stettin ihre Zukunft. Auch betreibe sie ein deutsch-polnisches Gymnasium und einen deutsch-polnischen Kindergarten. „Warum funktioniert das nicht auch in der katholischen Kirche. Warum kann man nicht mehr kooperieren, damit die Integration einfacher verläuft?“
Chancen im Pastoralen Prozess
Chancen bietet dazu der Pastorale Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“. Pasewalk führt Gespräche mit den Pfarreien Maria Himmelfahrt Schwedt und St. Maria Magdalena Prenzlau, die sich ebenfalls mit der verändernden Situation an der deutsch-polnischen Grenze konfrontiert sehen. Alle drei Pfarreien suchen Antworten in der Pastoral für Wege des Miteinanders zwischen neuen und alten Gemeindemitgliedern. Fänden sie zusammen, könnten sie gemeinsam die Antworten suchen und zusammen die Zukunft entwickeln. „Für einen gemeinsamen Pastoralen Raum spricht die Möglichkeit, ein Pastoralteam zu bilden aus deutsch- und polnischsprachigen Priestern und Gemeindereferenten.“ Pfarrer Mazur denkt auch an eine neue Kirche oder an Gemeinderäume in Orten, in denen die meisten polnischen Katholiken leben. Für Pasewalk wäre dies Löcknitz. Vor Jahren verkaufte die Pfarrei ihre dortigen Räumlichkeiten an die Stadt. Heute, wo mittlerweile fast die Hälfte aller Katholiken der Pfarrei in und um Löcknitz wohnt, fehlt es an einem geeigneten Gottesdienstraum. „Wir möchten in Löcknitz einen Ort schaffen, wo die Menschen sich treffen und die Messe feiern können“, erklärt Pfarrer Mazur. Für die Integration jungen Familien polnischer Herkunft könnte auch eine katholische Kindergartengruppe oder eine katholische Grundschule eine geeignete Antwort sein.
Gegen einen Pastoralen Raum Pasewalk, Schwedt und Prenzlau spreche die Ländergrenze, so Pfarrer Mazur. „Schon allein die unterschiedlichen Ferientermine zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bereiten uns Probleme eine RKW vorzubereiten.“ Auch die Unterschiede im Schulsystem könne die Zusammenarbeit zwischen den Kirchengemeinden erschweren. Zudem fehle es an gemeinsamen Erfahrungen. Traditionell verbinde die Pfarrei in Vorpommern und die Pfarreien in Brandenburg recht wenig, Argumente, die für eine Zukunft Pasewalks mit den Pfarreien Anklam und Hoppenwalde sprechen könnten.