Religiös unmusikalisch?

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„Ich bin nicht religiös, ich bin normal!“ – so antworten manchmal Leute, wenn die Rede auf die „Gretchenfrage“ kommt. Als katholischer Erzbischof bin ich nicht nur zuständig für katholische Christen, sondern ich suche auch das Gespräch mit Menschen, die sich für ungläubig halten.

Kürzlich haben wir als Katholiken in einem Workshop  einen ganzen Tag lang darüber nachgedacht, wie wir als Kirche besser mit kirchenfernen Menschen in Kontakt kommen und wie wir die Frage nach Gott auch heute in unserer Gesellschaft wachhalten können. Wir haben Leute eingeladen, die uns ihrerseits gesagt haben, warum sie keinen Bezug zu Glaube und Kirche haben. Es war ein konstruktiver Austausch, von dem ich mal wieder viel gelernt habe.

Er hat mir gezeigt, dass viele, die sagen sie wären nicht religiös,  in ihrer Suche nach einem sinnvollen Leben die Möglichkeit, dass Gott existiert, dennoch keineswegs ausgeschlossen haben. In bestimmten Situationen kann die Frage nach Gott auch ihnen sehr präsent werden. Ich sehe aber auch, dass wir in der Begegnung mit den Menschen gerade in Gegenden, die religiös so eigen geprägt sind wie Vorpommern, Brandenburg oder Berlin, die Frage nach Gott ganz neu stellen müssen, damit ein konstruktiver Dialog gelingen kann.

Kürzlich hat der Philosoph Jürgen Habermas seinen 90.Geburtstag feiern können. Er hat als Soziologe über Jahrzehnte die Entwicklungen der Gesellschaft kommentiert und dabei auch äußerst verdienstvoll um die Beziehungen zwischen Denken und Glauben gerungen. Dabei bezeichnete er sich selbst als „religiös eher unmusikalisch“ und vertrat in jungen Jahren die Ansicht, dass die Bedeutung von Glaube und Religion mit der gesellschaftlichen Entwicklung immer mehr abnehmen würde. Später erkannte er aber doch allerhand Positives innerhalb religiöser Systeme und ermunterte die Kirchen, ihre Sprache so zu erneuern, dass sie auch in den modernen Gesellschaften der Gegenwart verstanden wird.

Ich bin Jürgen Habermas dankbar für diesen Impuls von außen und sehe ihn als Herausforderung meiner Arbeit und für das Wirken der Kirche in die Gesellschaft hinein.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende und einen gesegneten Sonntag.