Sehnsucht nach Frieden

Wo vor wenigen Tagen noch Vertreterinnen und Vertreter der Religionen für den Frieden geworben hatten, laufen morgen die Läuferinnen und Läufer über die Ziellinie des Berlin Marathons. Erneut steht das Brandenburger Tor im Mittelpunkt. Es ist nicht – wie von den Nationalsozialisten missbraucht – ein Kriegstor sondern, ein Friedenstor. Es markiert das Ende des Kriegs: der Kriegsgott Mars sitzt an der Südseite des Tores und steckt sein Schwert in die Scheide, die Quadriga zieht nicht in den Krieg, nein, sie kehrt nach Hause zurück. Auch der bei Herodot geschilderte allererste Marathonläufer wollte eine Botschaft vom Ende des Kriegs überbringen. „Wir haben gesiegt“ soll er gesagt haben, gesiegt über die an sich übermächtigen Perser, bevor er tot zusammenbrach. Wofür der griechische Soldat damals zwei Tage gebraucht haben soll, dafür brauchen Spitzenläuferinnen und –läufer heute nur noch gut zwei Stunden und die historische Erinnerung verblasst.

Ich vermute, viele wünschten sich, sie könnten auch sagen „Wir haben gesiegt“, wenn sie die Laufstrecke beendet haben. Ich kann mir allerdings auch sehr gut vorstellen, dass viele morgen mit einer großen Sehnsucht nach Frieden durchs Brandenburger Tor laufen, dass sie sich wünschen, der Kriegsgott möge endlich sein Schwert wieder in die Scheide stecken, der Krieg möge endlich zu Ende sein.

Das Brandenburger Tor – viele Jahre für Krieg, Teilung und Konfrontation missbraucht – ist morgen in erster Linie Kulisse für große und kleine Siege – über den „inneren Schweinehund“, über die eigene Erschöpfung und über die bisherige eigene Bestzeit. Es ist aber auch wieder das Friedenstor, als das es urprünglich gebaut wurde. Wenn Sie morgen – an der Strecke oder vor dem Fernseher – den Marathonlauf verfolgen: Denken Sie an all die, die sich diesen Frieden und das Ende des Kriegs – nicht nur in die Ukraine – so dringend wünschen.

Ich wünsche allen Läuferinnen und Läufern, sowie allen anderen, die ihren inneren Schweinehund jeden Tag aufs Neue überwinden, viel Durchhaltevermögen, einen langen Atem und Gottes reichen Segen.

Ihnen allen ein erholsames Wochenende und einen gesegneten Sonntag.