Die Debatte ist auch eine Chance für unsWir haben nichts zu verbergen.

Generalvikar Tobias Przytarski zum Thema Kirchenfinanzen im Gespräch mit der Katholischen Nachrichtenagentur KNA.

KNA: Herr Generalvikar, haben Sie Verständnis für die Debatte über die Kirchenfinanzen?

Przytarski: Natürlich habe ich Verständnis. Wenn der Eindruck entsteht, dass es auf diesem Gebiet keine Transparenz gibt, muss man darüber sprechen. Aber nicht alles, was die große Aufregung verursacht, ist sie auch wert. Dass die Debatte geführt wird, ist jedoch sinnvoll und auch eine Chance für uns.

KNA: Welche Argumente sind sachgerecht, welche nur populistisch?

Przytarski: Die Forderung nach Transparenz ist angemessen, auch nach größerer Transparenz. Wir wollen dem gern nachkommen. Wenn ich aber den Eindruck habe, dass die Diskussion in Wahrheit nur deshalb geführt wird, um generell Rechte der Kirchen anzugreifen, ist das anders. Auch darüber kann man diskutieren, sollte es dann aber offen so benennen.

KNA: Oft heißt es einfach, dass die Kirchen zu viel Geld vom Staat erhalten. Ist das so?

Przytarski: Das sehe ich nicht so. Was die Kirchen vom Staat bekommen, ist vor allem die Refinanzierung für ihre Schulen und Sozialeinrichtungen. Damit leisten die Kirchen – wie andere nichtstaatliche Träger auch – einen Dienst an der Gesellschaft. Gelder, die wir über die Refinanzierung erhalten, geben wir zweckgebunden weiter an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Instandhaltung der dafür nötigen Gebäude, etc.. Wir häufen dabei keine Reichtümer an, im Gegenteil, 7% eines jeden Kita-Platzes legen wir als Kirche selbst drauf. Die Kirchensteuern sind kein Geld vom Staat, der Staat zieht lediglich für die Kirchen diese Steuer von deren Mitgliedern ein und wird dafür von den Kirchen bezahlt. Die dritte Finanzquelle sind in der Tat Staatsleistungen, die wir aufgrund alter staatlicher Verpflichtungen erhalten. Für das Erzbistum Berlin sind es jährlich um die vier Millionen Euro bei einem Gesamt-Haushalt von mehr als 160 Millionen Euro.

KNA: Wie weit sollte die Kirche dabei gehen, ihre Finanzen offenzulegen?

Przytarski: Wir haben nichts zu verbergen. Deshalb ist es in unserem eigenen Interesse, das Vertrauen in die Kirche zu stützen, indem wir auch in allen Bereichen transparent sind.

KNA: Wie weit ist das Erzbistum Berlin auf diesem Weg?

Przytarski: Wir veröffentlichen den Haushalt bereits seit langem im Amtsblatt und auf unserer Internetseite. Eine eigene Broschüre erläutert auch die Verwendung der Kirchensteuer. Wir haben bisher aber ein Abrechnungssystem, das die Ein- und Ausnahmen gegeneinander rechnet. In dieser Form sind Vermögenswerte wie Immobilien nicht aufgeführt. Auch für das Erzbistum Berlin planen wir – nach dem Vorbild anderer Bistümer – einen Geschäftsbericht, bei dem auch Grundstücke und Gebäude finanziell bewertet werden. Das ist aber nicht ganz so einfach und muss in jedem Fall erläutert werden. Denn was kann man mit Kirchengebäuden und Gemeindehäusern machen, außer sie ihrem Zweck entsprechend zu verwenden?

KNA: Warum hat das Erzbistum einen solchen Geschäftsbericht nicht schon eingeführt? Ein vollständiger Kassensturz hätte bei seiner Finanzkrise vor zehn Jahren doch sicher geholfen, die Schulden von über 100 Millionen Euro abzuzahlen.

Przytarski: Dem Sanierungsplan von 2003 ging der vermutlich vollständigste Kassensturz aller Bistümer voraus. Wir sind das Bistum in Deutschland, das am gründlichsten durchleuchtet wurde. Der Sanierungsplan sah auch den Verkauf von Vermögenswerten zum Abbau der Schulden vor. Er wurde auch so umgesetzt, schon als Bedingung für die finanzielle Hilfe der anderen deutschen Bistümer. Und so hat die Finanzkrise von 2003 ihr Gutes; wir haben dadurch einen Grad an Transparenz erreicht, auf den andere sich noch zubewegen.

KNA: Welche Rechtsträger besitzen in der Berliner Bistumsleitung ein Sondervermögen?

Przytarski: Bei uns verfügt der Erzbischöfliche Stuhl über kein separates Vermögen, wie es in anderen Bistümern der Fall ist. Es ist im Bistumshaushalt enthalten. Das Domkapitel dürfte als Rechtsträger eigenes Vermögen haben, es besitzt aber keins.

KNA: Welche Kontrollinstanzen gibt es?

Przytarski: Als Aufsichtsgremien gibt es den Diözesanvermögensverwaltungsrat, in bestimmten Bereichen wie dem Verkauf kirchlichen Grundvermögens muss das Domkapitel zustimmen. Angehört werden muss auch der Priesterrat. Überdies lassen wir unseren Haushalt jährlich durch Wirtschaftsprüfer unter die Lupe nehmen.

KNA: Wären Vorfälle wie in Limburg im Erzbistum Berlin möglich?

Przytarski: Nein, ich wüsste nicht wo. Dazu müsste es ja Bereiche geben, die außerhalb der Kontrollgremien agieren.

KNA: Die Sanierung der Sankt-Hedwigs-Kathedrale steht als großes Projekt bevor. Welche Summe ist dafür veranschlagt?

Przytarski: Das wissen wir noch gar nicht. Das Projekt beginnt am 1. November mit einem Architekten-Wettbewerb, der großen Spielraum lässt von einer soliden Renovierung der Kathedrale bis zu einer aufwändigen Umgestaltung. Erst wenn hier eine Entscheidung vorliegt, können wir etwas über die Kosten sagen. Was bereits jetzt klar ist: Wir wollen so wenig wie möglich über die Kirchensteuer finanzieren, wir sind auf Spenden, Stiftungen und vielleicht auch staatliche Förderung angewiesen. Das war beim Bau der Kathedrale nicht wesentlich anders.

KNA: Inwieweit haben die Limburger Ereignisse einen Einfluss auf das Projekt?

Przytarski: Die Limburger Ereignisse haben mir deutlich gemacht, dass wir von Anfang an jeden Schritt nachvollziehbar machen müssen. Es ist mir bewusst, dass viele Kirchengemeinden in den vergangenen Jahren stark sparen mussten. Und auch im Fall der Kathedrale darf Liturgie nicht gegen Diakonie ausgespielt werden. Wir bekennen unseren Glauben in der Feier des Gottesdienstes und in der Verkündigung in Wort und Tat. Das muss bei dem Projekt eindeutig klar werden.

KNA: Papst Franziskus will eine Kirche der Armen. Wo stößt seine Forderung aus Ihrer Sicht an Grenzen?

Przytarski: Eine Grenze ist da, wo wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in finanzielle Not treiben oder in die Selbstausbeutung. Wir müssen ihnen das zahlen, was sie für ihre Arbeit verdienen.

Das Interview führten Dr. Karin Wollschläger und Gregor Krumpholz