„Die Erinnerung wach halten“Überlebende des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust treffen Diözesanadministrator Prälat Przytarski

Die ganze Gruppe mit Prälat Przytarski vor dem Kathedralforum

Prälat Przytarski mit den Überlebenden im Gespräch

Erinnern und Zuhören

Für viele ist 2015 „nur“ ein Gedenkjahr, für die zwölf Zeitzeugen, die das Maximilian-Kolbe-Werk nach Deutschland eingeladen hat, bedeutet die Erinnerung an den Jahrestag des Kriegsendes die Erinnerung an ihre eigene Kindheit: Sie waren gerade mal fünf Jahre alt, als ihr Zuhause zerstört, sie ins Ghetto gepfercht oder mit ihren Eltern in ein Konzentrationslager verschleppt wurden. Sie waren fünf Jahre alt, als sie von SS-Einheiten zu einem Gewaltmarsch gezwungen wurden, als sie erleben mussten, wie alle, die nicht mehr konnten erschossen oder erschlagen wurden. Sie stammen aus den Geburtsjahrgängen von 1936 bis 1941 Einer von ihnen hat in Berlin seinen 80. Geburtstag gefeiert.

Zunächst wollen sie aber etwas über Berlin und das Erzbistum Berlin erfahren von Prälat Tobias Przytarski, und auch danach sieht es zunächst nicht so aus, als ob sie etwas erzählen wollten. Sie haben bereits verschiedene Begegnungen hinter sich mit Schulklassen im Gymnasium Steglitz und im Canisius-Kolleg und wirken nicht nur wegen ihres hohen Alters sehr erschöpft.

Erzählen, was nicht vergessen werden darf

Es ist eine gute Tradition, dass das Maximilian-Kolbe-Werk eine Gruppe von Opfern der NS-Vernichtung, von Überlebenden des Holocaust nach Deutschland und nach Berlin einlädt, als Beitrag zu einer späten Versöhnung und - wie Prälat Przytarski es formulierte - "um zu erzählen, was wir nicht vergessen dürfen". In diesem Jahr kommen sie aus St. Petersburg und aus Kaliningrad. Eine Begegnung mit dem Erzbischof oder in diesem Jahr dem Diözesanadministrator steht immer auf dem Programm, das Monika Herdemerten, Maria Lulkiewicz und Karin Ruppelt betreuen.

Und mit Beginn der Vorstellungsrunde kommt die Erinnerung zurück. Manche streichen dem Nachbarn über dem Arm, wenn er nicht mehr weiter erzählen kann, wenn auch nach so langer Zeit die Erinnerung wieder zurückkommt.

Andere wollen oder können gar nicht abwarten, bis die Übersetzerin zu Ende gekommen ist, zu sehr drängt es sie, von ihrem Schicksal zu erzählen. Es fällt mitunter nicht leicht, zu folgen. "Auschwitz", "Ravensbrück", "Konzentrationslager", "Ghetto", "Deportation" sind Begriffe, die man auch ohne Russisch-Kenntnisse versteht, die Übersetzerin berichtet atemlos von schrecklichen sanitären Verhältnissen, von  Krankheiten, von Erschießungen.

Und doch hat sich die Gruppe auf den Weg nach Berlin gemacht, nicht um abzurechnen, sondern um sich auszusöhnen. Prälat Przytarski nahm die ausgestreckte Hand dankbar an: "Ich bin sehr dankbar, dass ich Anteil an diesen Lebens-Schicksalen nehmen konnte. Ich danke auch dem Maximilian-Kolbe-Werk, das diese Begegnung ermöglicht hat, und die Erinnerung wach hält."

Insgesamt sind 12 NS-Opfer aus Kaliningrad und St. Petersburg für rund 10 Tage in Deutschland:

  • Esian Kapitman, der Vorsitzender der jüdischen Häftlingsorganisation in Kaliningrad mit seiner Frau Nina, Nina Eklina und Mikhail Kurliandskii hatten das Ghetto in Kaliningrad überlebt.
  • Liudmila Lisichkina war in Auschwitz inhaftiert, Galina Ziuzkova in Osaritschi, Petr Makarenkov in Roslawl, Galina Karaseva in Ponary.
  • Stella Nikiforova wurde bis nach Ravensbrück und Tatiana Zlobenko bis nach Dachau verschleppt.
  • Polina Moskovich überlebte das Ghetto Obodowka und Iurii Mogilevskii das Ghetto in Minsk, danach hielt er sich vor den Deutschen versteckt.