Auf dem Bürgersteig laden Holzstühle und ein kleiner Tisch vor dem großen Schaufenster zum Verweilen ein. Einige bunte Luftballons machen die Passanten auf den Tag der offenen Tür in der „Offenen Tür Berlin“ (Otb) aufmerksam.
An diesem Nachmittag stellt der Berliner Künstler Markus Weis seine Bilder aus, die er teilweise schon im Jahr 2014 in der St.-Matthäus- Kirche in Berlin-Tiergarten unter dem Titel „#1 Passion #2 Licht #3 Geist“ zeigte. Sie zeigen Blicke aus dem Fenster, Türen, die sich öffnen, oder wertvolle Stoffe, die auf geistige Tiefe verweisen. In einem der drei Beratungsräume hängt ein großformatiges Bild von Christus, eingehüllt in langen roten Stoff. Ungewöhnlich an diesem Bild ist, dass er dem Beobachter seinen halben Rücken zuwendet.
Neugierige Kollegen aus anderen Beratungsstellen, regelmäßige Besucher der Beratung, einige Passanten und das Team der Otb sind gekommen. Zwischen den Gesprächen genießen sie die musikalischen Pausen. Zwei sehr verschiedene Interpretationen des „Ave Maria“ lassen die Herzen höher schlagen. Einmal trägt es der Konzertsänger und Chorleiter Frank Heilgeist vor, später Christina Holstein. Die Zehntklässlerin singt außerdem noch mit Witz und Leichtigkeit das Lied „Einmal möchte ich so verliebt sein …“ aus „Die schöne Galathée“ von Franz von Suppé.
Die ehrenamtliche Beraterin Margret Claussen betreut einen kleinen Kunst-Flohmarkt. Der Erlös des Flohmarkts kommt dem Verein ebenso zugute, wie die Erträge aus einer Versteigerung: Zwei Bilder des zeitgenössischen Leipziger Malers Michael Triegel kommen „unter den Hammer“.
Margret Claussen berät Menschen auch in anderen Organisationen ehrenamtlich. Besonders schön bei der Otb findet sie, dass „die Menschen dienstags einfach so, ohne telefonische Voranmeldung, kommen können. Wenn sie den Weg bis hierher in Kauf nehmen, wissen sie meistens schon, was ihr Problem ist. So können wir ihnen besser helfen.“ Darüber hinaus ist das Motto des Jesuitenpaters Gebhard Graf von Stillfried- Ratonitz, Gründer der „Offenen Tür Berlin“, immer noch aktuell: „Wir wollen Menschen ohne Orientierung und Halt im Vorfeld der Kirche erreichen.“
„Offen-Sein zu sich selbst und zu anderen“
Das betonte auch Gabriele Kraatz in ihrer Begrüßungsrede. Sie ist im Erzbistum Berlin zuständig für Frauenseelsorge und missionarische Pastoral und definierte die Barmherzigkeit als „Offen-Sein zu sich selbst und zu anderen“. Sie wünscht sich, dass die Menschen „tiefe Zuwendung und Offenheit in der Otb erleben“. Genau das sollen auch die ausgelegten Werbekärtchen ausdrücken: „Suchen Sie einen Ort, an dem Sie reden können?“, steht darauf.
„Es sind die Begegnungen mit den Menschen, die das Leben lebenswert machen“, freut sich die Leiterin der Otb, Gabriele Vitt- Urbatzka, zum Abschluss des Tages. „Der Mensch wird am Du zum Ich“, zitiert sie den Religionsphilosophen Martin Buber.
Anonyme Lebens- und Krisenberatung
Das Erzbistum teilfinanziert den Verein, der psychologische Lebens- und Krisenberatungen anbietet. Anonymität und Schweigepflicht nehmen alle Mitarbeiter dort sehr ernst. Menschen, die Probleme in der Ehe, in der Liebe, im Beruf, mit der Einsamkeit, mit ihrer Gesundheit oder einfach mit dem Leben haben, sind willkommen. „Ohne lange Wartezeiten, lokale oder bürokratische Barrieren“, betont der Vorstandsvorsitzende Edouard Marry in seiner Eröffnungsrede. „Egal welche Herkunft, Hautfarbe oder Kinderzahl – jeder kann einfach mal vorbeischauen und hier einen wohlwollenden und kompetenten Zuhörer finden. Bei uns ist nicht nur heute die Tür offen“.
In den letzten zehn Jahren hat die vor fünfzig Jahren gegründete Otb viele Umstellungen durchgemacht: Vier Umzüge und drei Wechsel in der Leitung. Dabei hat sie die Vielfalt und die Qualität ihrer Angebote ausgeweitet. Wo früher nur der gute Wille reichte, gibt es jetzt Fachleute als Ansprechpartner. Ein neuer Schwerpunkt ist zum Beispiel die Beratung älterer Ehepaare.
Kontakt:
„Offene Tür Berlin“ (Otb) ist in der Wichertstraße 33, in Berlin- Prenzlauer Berg. Terminabsprache montags und donnerstags von 9 Uhr bis 13 Uhr und von 14 bis 18 Uhr. Tel. 030 / 32 10 22 20. Dienstags von 17 bis 20 Uhr gibt es eine offene Sprechstunde. Sie ist kostenlos, aber der Verein freut sich über Spenden, die er braucht, um sich finanziell zu halten.