„Er wollte gut sein, aber man hat ihn nicht gelassen“ – BERLIN ALEXANDERPLATZ jetzt im Kino

© 2019 Sommerhaus/eOne Germany (Foto: Stephanie Kulbach)

BERLIN ALEXANDERPLATZ war und ist kein leichter Stoff. Als Regisseur Burhan Qurbani, selbst Sohn afghanischer Flüchtlinge, seine Übersetzung des „Jahrhundert-Romans“ von Alfred Döblin in die heutige Zeit im Februar 2020 im Berlinale-Wettbewerb vorstellt, bestätigt er dieses Urteil auf beeindruckende Weise. Aus Franz Biberkopf wird Francis (Welket Bungué), ein Flüchtling aus Guinea-Bissau, aus dem Dieb Reinhold wird der Drogendealer Reinhold (Albrecht Schuch) und die Freundin von Franz/Francis war und ist die Prostituierte Mieze (Jella Haase).

Ansonsten bleibt Qurbani seinem literarischen Vorbild treu: Auch Francis beginnt seinen Lebens-/Leidensweg mit einer schweren Schuld – er hat einen Menschen auf dem Gewissen – auch Francis will ein guter und anständiger Mensch sein und auch bei Francis fragt man sich, woran es liegt, dass das er scheitert. Ist es die eigene Verführbarkeit zum Verbrechen, zum Bösen? Ist es der schlechte Einfluss von Reinhold, eine wahrhaft teuflische Figur? Sind es die Umstände oder vielleicht doch der Berliner Alexanderplatz als Symbol für die unmoralische Großstadt?
Qurbani legt durch seine Entscheidung, Franz Biberkopf als schwarzen Flüchtling zu inszenieren, eine weitere mögliche Deutung nahe: Francis hat doppelt keine Chance, nicht als Flüchtling und auch nicht als Schwarzer, sein illegaler Aufenthalt verstellt ihm den Zugang zu regulärer Arbeit, seine Hautfarbe macht ihn zum Opfer von Rassismus und lässt ihn Rollenklischees nicht entkommen. Dass der Film erst jetzt nach der Ermordung von George Floyd in die Kinos kommt, verleiht ihm eine fast schon tragische Aktualität in der Debatte #BlackLivesMatter. „Er wollte gut sein, aber man hat ihn nicht gelassen“, so formuliert es Mieze im Film.

Wie schon das Buch und seine früheren Verfilmungen ist BERLIN ALEXANDERPLATZ kein Lehrstück. Qurbani und seinem Team ist ein drastisches, opulentes und zum Teil erschreckendes Sittengemälde um Schuld, Verführbarkeit, Macht und Verrat gelungen, das keine einfachen Antworten bietet, weil es sie einfach nicht gibt. Dafür wurde der Film bei der 70. Verleihung des Deutschen Filmpreises mit insgesamt fünf Lola-Trophäen geehrt. Kinostart ist – endlich – ab dem 16. Juli 2020.

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