Flüchtling gegen FlüchtlingSorge um religiös motivierte Konflikte in Unterkünften wächst

Bonn (KNA) Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling. Die Flut bedürftiger Menschen aus Konfliktgebieten wie Syrien, dem Irak oder der Zentralafrikanischen Republik steigt auch in Deutschland stetig. An erster Stelle steht die Frage nach den Aufnahmemöglichkeiten. Dabei werden Menschen aus verschiedenen Ländern aller Religionszugehörigkeiten und Ethnien selbstverständlich gemeinsam untergebracht. Nach mehreren, teils gewalttätigen Konflikten zwischen muslimischen und christlichen Flüchtlingen werden aber Rufe nach einer Trennung der Flüchtlinge nach Religionszugehörigkeit lauter. Andere fürchten eine wachsende Abgrenzung durch eine getrennte Unterbringung.

Vergangene Woche kam es in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Marienfelde zu einer schweren Schlägerei mit mehr als 100 Beteiligten, wie die Polizei berichtete. Demnach waren syrische und tschetschenische Flüchtlinge mehrfach in Streit geraten. In der Nacht zum Samstag eskalierte die Situation. Fünf Personen wurden verletzt, zwei mussten stationär ins Krankenhaus eingewiesen werden. Rund 30 christliche Syrer, die laut Medienberichten von muslimischen Tschetschenen angegriffen worden waren, zogen danach in eine katholische Kirche in Berlin-Tiergarten und weigerten sich, in die Flüchtlingsunterkunft zurückzukehren.

Zuvor hatten die "Zeit" und der Bayerische Rundfunk über Streitigkeiten zwischen Muslimen und Christen in bayerischen Flüchtlingsunterkünften berichtet. Unter anderem war der Fall einer christlich-irakischen Familie in Bayern beschrieben worden, die nach Auseinandersetzungen mit Islamisten trotz der Lage in der eigenen Heimat freiwillig wieder in den Irak zurückgekehrt war.

Der Integrationsbeauftragte der bayerischen Landesregierung, Martin Neumeyer (CSU), plädiert mit Blick auf die Ausschreitungen für eine getrennte Unterbringung. Er wisse, dass so etwas wohl schwer umsetzbar sei, und angesichts von Religionsfreiheit mutmaßlich auf Vorbehalte stoße. "Ich möchte aber mit dieser Forderung auch die Mitarbeiter der Asylsozialberatung und die zahlreichen freiwilligen Helfer in dem Bereich sensibilisieren, auf entsprechende Vorfälle entschieden zu reagieren", sagte Neumeyer der "Welt" (Dienstag).

Berlins frühere Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) schließt sich der Idee an. Um Konflikten vorzubeugen, sollten Flüchtlinge verschiedener Religionen auf unterschiedliche Heime verteilt werden, sagte John auf Anfrage in Berlin. Dies sei angesichts des Mangels an Plätzen oft nicht möglich, räumte sie ein. Daher sei es eine vorrangige Aufgabe der Betreuer, die Bewohner auf einen friedlichen Umgang miteinander "nachdrücklich einzuschwören".

Andere Stimmen halten eine Trennung nach Religionszugehörigkeit für eine falsche Herangehensweise. "Eine Isolierung oder Separierung von Flüchtlingsgruppen ist keine Lösung, da dies die Geisteshaltung nicht verändert", sagte die Vorsitzende der Menschenrechts-Arbeitsgruppe der Unionsfraktion im Bundestag, Erika Steinbach (CDU). Nichtsdestoweniger seien Ausschreitungen gegen Flüchtlinge anderer Religionen nicht hinnehmbar. "Kriminelle Handlungen und Übergriffe müssen geahndet und Täter sofort ausgewiesen werden", forderte Steinbach.

Auch die Diakonie in Bayern hat den Vorschlag, Christen und Muslime getrennt unterzubringen, zurückgewiesen. Dadurch würden Vorbehalte gegenüber den Angehörigen anderer Religionen tendenziell eher verstärkt, gab Diakonie-Präsident Michael Bammessel zu bedenken. Zudem habe eine Umfrage unter den 75 Beratern des evangelischen Wohlfahrtverbands in den Einrichtungen ergeben, dass keine Zunahme von religiös motivierten Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften zu spüren seien.

"Durch die Berichterstattung über einige wenige Einzelfälle ist in der letzten Zeit ein Bild entstanden, das der Realität nicht entspricht", so der Diakonie-Präsident. Religiöse Konflikte gebe es nur selten, zumeist zwischen Muslimen und zum Christentum konvertierten Muslimen. In einer Vielzahl seien Streitereien durch nationale, ethische oder kulturelle Unterschiede bedingt, "wenn es sich nicht einfach um persönliche Differenzen handelt".