Für eine lebendige PfarrgemeindeKatholiken im Erzbistum Berlin zu Gremienwahlen am 21./22. November aufgerufen

Die Stimmzettel zur Pfarrgemeinderatswahl: In Pfarreien mit mehr Kandidaten als Gremienplätze gibt es die direkte Wahl der Kandidaten. Ist dies nicht der Fall, kann durch ein Kreuz bei Ja oder bei Nein Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck gebracht werden. Foto: Herrmann

„Es engagieren sich immer weniger für die Pfarrgremien“: Herbert Frank, Pfarrgemeinderatsvorsitzender in Demmin, benennt ein zentrales Problem der Pfarreien. Foto: privat

Qualifizierte Stimmabgabe: Gibt es gerade so viele oder weniger Kandidaten als Plätze für einen Pfarrgemeinderat zu vergeben sind, kann durch ein Kreuz bei Ja oder bei Nein vor dem Namen eines Kandidaten Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck gebracht werden. Foto: Herrmann

„Man muss mit Taten vorangehen und sollte nicht abwarten, bis sich jemand anderes findet, der Verantwortung für die Pfarrei übernimmt.“ Ivan Saenz, Pfarrgemeinderatsvorsitzender der Pfarrei Von der Verklärung des Herrn in Berlin-Marzahn, ist überzeugt von seinem ehrenamtlichen Engagement in seiner Gemeinde. Und er übernimmt erneut Verantwortung. Am 21. und 22. November stellt er sich in seiner Pfarrei wieder zur Wahl. An diesen Tagen entscheiden die Kirchenmitglieder im Erzbistum Berlin darüber, wer sie künftig im Pfarrgemeinderat und im Kirchenvorstand vertritt.

Auch für Evelyn Lindhorst ist es eine Selbstverständlichkeit, was längst nicht mehr selbstverständlich ist. Seit zehn Jahren begleitet sie das Amt der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden in der Pfarrei Herz Jesu und St. Judas Thaddäus in Berlin-Tempelhof. Auch sie stellt sich erneut zur Wahl. „Ich verstehe es als meine Christenpflicht, im Weinberg des Herrn mitzuarbeiten“, formuliert sie gerade heraus. „Um das Leben in der Pfarrgemeinde bunt, lebendig und in der Freude am Glauben zu gestalten, und um zu zeigen, dass es viele Menschen gibt, die gerne katholisch sind“, antwortet Katharina Uhrlandt vom Pfarrgemeinderat Sankt Joseph in Greifswald auf die Frage, warum es wichtig ist, sich in Pfarrgremien zu engagieren. „Christ-Sein bedeutet für mich, sich für ,die Sache‘ Jesu einzusetzen, das heißt, Profil zu zeigen, Mitverantwortung und Entscheidungen gemeinsam zu tragen“, betont Regina Galecki, Vorsitzende des Pfarrgemeinderates der Pfarrei Sankt Canisius in Berlin-Charlottenburg

Mitbestimmung in der Pfarrei

„Wenn man nicht kandidiert, kann man später nicht mitreden“, macht Reinhard Hackel deutlich. Der 65-Jährige gehört seit fast 30 Jahren dem Pfarrgemeinderat der Pfarrei Mariä Himmelfahrt in Hoppenwalde an. „Gerade in der jetzigen Situation, in der wir im Pastoralen Prozess unsere Pfarreien zu größeren Räumen zusammenschließen wollen, gilt es die Meinung und die Interessen der örtlichen Pfarrei zu vertreten.“ Daniela Walker sieht das ähnlich. „Wer in seiner Pfarrei mitwirken und etwas bewirken möchte, muss in den Pfarrgemeinderat. Das gilt besonders jetzt, in der Zeit des Pastoralen Prozesses „Wo Glauben Raum gewinnt“.“ Die 55-Jährige engagiert sich seit acht Jahren im Pfarrgemeinderat von Bruder Klaus in Berlin-Neukölln. Für die Ehrenamtliche steht fest: Wer nicht zur Wahl geht, gibt sein Recht auf Mitbestimmung auf. Und Georg Richter, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats Mariä Himmelfahrt in Schwedt, betont: „Die Zukunft der Gemeinde sollte keinem Gemeindemitglied egal sein. Durch die Teilnahme an der Wahl zeigen die Mitglieder der Pfarrei ihre Verbundenheit.

Vor den Gremienwahlen sehen sich die Verantwortlichen mit zwei Problemfeldern konfrontiert. Zum einen erklären sich immer weniger katholische Christen bereit, zu kandidieren. Zum anderen gehen nur noch wenige Gemeindemitglieder zur Wahl. Die Beteiligung im Jahr 2011 lag bei rund fünf bis sieben Prozent.

„Ich stand vor der Frage: wenn ich es nicht mache, wer macht es dann? Es ist ja kein anderer da!“ Herbert Frank wurde vor zwölf Jahren in den Pfarrgemeinderat Maria Rosenkranzkönigin in Demmin berufen. Seitdem hat er immer wieder kandidiert. Auch diesmal steht der 61-jährige Pfarrgemeinderatsvorsitzende auf dem Wahlzettel. „Es engagieren sich immer weniger für die Pfarrgremien“, berichtet Frank aus Erfahrung. Wenn man die Altersstruktur betrachte, sei dies auch kein Wunder, gerade im ländlichen Raum. „Die Alterspyramide ist oben breit und im mittleren Bereich recht schmal“, erklärt Frank. Frauen und Männer mittleren Alters seien jedoch besonders familiär und beruflich eingespannt. Ihnen fehle die Zeit.

Zu wenige Kandidaten

Die Kandidatensuche sei in diesem Jahr besonders schwierig verlaufen, weiß Hans-Joachim Ditz von den Rückmeldungen aus den Pfarreien. „Diesmal gab es nicht nur bei den Pfarrgemeinderäten, sondern erstmals auch bei den Kirchenvorständen massiv Probleme.“ Die Gründe, warum immer weniger katholische Christen, in Pfarrgremien Verantwortung übernehmen, seien vielschichtig, meint der Geschäftsführer des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin. Neben der allgemein vorherrschenden Krise des Ehrenamtes, stünden jüngere Frauen und Männer oftmals vor dem Problem, sich nicht für vier oder gar für acht Jahre verpflichten zu können. Auch das gesellschaftliche Renommee, das einst ein Engagement in kirchlichen Gremien mit sich brachte, sei kaum noch zu verzeichnen. Hinzu kämen interne Problem wie eine nicht immer besonders ausgeprägte Beteiligungskultur in den Pfarreien. „Wer sich heute in einem Gremium engagiert, möchte auch mitentscheiden können und zwar nicht nur bei den Details zur Gestaltung von Pfarrfesten“, so Ditz. „Und auch der Pastorale Prozess, die Ungewissheit, wie es künftig weitergeht, die zu erwartende Mehrarbeit in der kommenden Wahlperiode, hat so manchen abgeschreckt.

Damit die Wahl nicht zu einer reinen Zustimmungswahl verkommt, besteht auf Initiative des Diözesanrates die Möglichkeit der qualifizierten Stimmabgabe, berichtet Ditz. „Mit der qualifizierten Stimmabgabe hat der Wähler die Möglichkeit, Kandidaten gezielt abzuwählen.“ Für den Fall also, dass gerade so viele oder weniger Kandidaten zur Wahl stehen, als Plätze zu besetzen sind, findet sich auf dem Stimmzettel vor dem Namen eines Kandidaten ein Ja- oder ein Nein-Feld, das der Wähler ankreuzen kann. Am Ende zieht nur der Kandidat in den Pfarrgemeinderat ein, der mehr Ja- als Nein-Stimmen vorweisen kann.

Wahlberechtigte persönlich angeschrieben

Auch auf die geringe Wahlbeteiligung reagiert der Diözesanrat. In drei Projektpfarreien, in Sankt Ludwig in Berlin-Wilmersdorf, in Herz Jesu in Neuruppin und in Sankt Joseph in Greifswald, wurden sämtliche Wahlberechtigte per Post angeschrieben. In Greifswald bekamen die Wähler die gesamten Briefwahlunterlagen zugesandt. In Berlin-Wilmersdorf und in Neuruppin verschickten die Pfarreien eine Wahlinformation mit Antwortkarte. Sankt Ludwig meldete bereits zurück, dass inzwischen mehr Wahlunterlagen angefordert wurden, als 2011 Wähler zur Urne schritten. Als Erfolg möchte Ditz das Projekt erst werten, wenn sich mindestens ein Drittel aller Wahlbeteiligten zur Stimmabgabe motivieren lassen. Erst dann könne er sich vorstellen, bei der nächsten Wahl bistumsweit diese Wege zu beschreiten.

Trotz aller Versuche, appelliert Ditz, nicht die Augen vor den Gegebenheiten zu verschließen. Die sich von Wahl zu Wahl weiter zuspitzenden Probleme bei Kandidatensuche und Wahlbeteiligung – eine Entwicklung, die sich in allen Bistümern in Deutschland zeigt – interpretiert Ditz offensiv als Krise der katholischen Gremienkultur. „Auch wenn es uns 40 Jahre nach der Würzburger Synode schwer fällt: Wir müssen uns ehrlich die Frage stellen: Inwieweit hat sich die kirchliche Gremienkultur überholt?“