Als Nachfolger von Dr. Ulrich Werbs wurde ich 1982 Sekretär der Pastoralkonferenz der Berliner Bischofskonferenz. Ein Teil der Aufgaben war mir vorstellbar. Für die im Geheimen liegenden Verpflichtungen fand ich drei vorzügliche Mitarbeiterinnen vor, Frau Hildegard Neumann, Frau Gertrud Swaton und Frau Gertraud Dittrich; ebenso unverzichtbar war und blieb als Mitarbeiter Herr Michael Jaschik.
Das Ziel unserer gemeinsamen Arbeit waren bedruckte Papiere, die ohne jegliche Zensur den Seelsorgerinnen und Seelsorgern und kirchlichen Einrichtungen und Gruppen zur Verfügung gestellt werden sollten. Der Endbetrieb war eine Druckerei in einem Keller, dessen Existenz nur wenigen Leuten bekannt sein durfte. Zu den Produkten gehörten die jährlichen „Pastoralen Handreichungen“, das Predigtheft „Der Diakonats-Helfer“, das geistliche Heft für Ordensleute „Zeichen und Zuversicht“, die Lehrbriefe für die „Theologischen Fernkurse“ und das „Theologische Bulletin“, das 5 mal im Jahr mit jeweils etwa 300 mit Maschine geschrieben Seiten und einer Auflage von über 2000 Exemplaren herzustellen war. Es sollte die Leser in die Weite des Denkens führen, eben über die engen Grenzen der DDR hinaus.
Darüber hinaus produzierten wir Gelegenheitsschriften, zum Beispiel die gesetzlichen Festlegungen der Menschenrechte für die DDR oder Hefte für „Demokratie Jetzt“, die „Aufrisse“ und Wochenbriefe an verschiedene Aufbruchsgruppen in der DDR. Es musste uns gelingen, immer wieder viele Tonnen Papier zu beschaffen, aber auch alles andere, was zum Druck nötig war.
Eine Arbeit, die Mut brauchte
Meine Sorge galt der Sicherheit meiner Mitarbeiter. Sie waren unter irgendeinem Titel bei dem Bischöflichen Ordinariat Berlin angestellt. Es gehörte schon Mut dazu, diese Samisdat-Arbeit zu machen, zumal zu ihnen Familien gehörten, über die sie hätten erpressbar sein können. Für den Inhalt des Bulletins, des Predigtheftes, der überarbeiteten Lehrbriefe und anderer Produkte waren wir allein zuständig.
Michael Jaschik verstand sich nicht nur hervorragend auf die technische Herstellung unserer „Produkte“, er hat in unseren Werkgesprächen immer wieder die Inhalte mit geprägt. Nach dem Studium der Philosophie und Theologie in Erfurt verweigerte Michael Jaschik den Waffendienst und wurde Spatensoldat. Eine Arbeitsstelle als Redakteur wurde ihm beim „Neuen Deutschland“ trotz bester Empfehlungen verweigert. Als Familienvater von vier Kindern war ihm der Alltag in der DDR auf den Leib geschneidert und er spürte sehr genau, wo uns Christen in diesem Staat der Schuh drückte. Zusammen mit seiner Frau suchten und pflegten sie Alternativen für die staatliche Kindererziehung und konnten sich in Ihrer Pfarrgemeinde St. Mauritius in Berlin im Katholischen Kindergarten und Schulhort einsetzen; nach der Wende entstand mit ihrer Hilfe eine katholische Grundschule.
Der Kritik am Saat eine Stimme gegeben
Arbeitsstellen im kirchlichen Bereich waren in der DDR für viele Menschen sehr begehrt, weil man dort Ruhe hatte vor den belastenden oder unzumutbaren Erwartungen des Staates. Die Arbeit in unserer Stelle aber hätte für alle Mitarbeiter auch leicht zu einem gefährlichen Ende werden können. Wir haben auch in den Jahren vor der Wende als Arbeitsstelle dem kritischen Denken im Staat (und auch in der Kirche) viele Räume erschlossen und der Kritik zu Sprache und Stimme verholfen. Das hat uns auch innerkirchlich nicht nur Lob eingebracht. Die Bischöfe hielten sich zurück und ermunterten uns höchstens zum Weitermachen, insbesondere in Kardinal Meisner fanden wir Rückhalt. Nach der Wende war eine zensurfreie Zone nicht mehr nötig.
Obwohl unsere Arbeit ihrer Natur nach auch in der Kirche fast völlig unbekannt war, war die „Arbeitsstelle für pastorale Hilfsmittel“ einer der spannendsten Plätze in der katholischen Kirche in der DDR. Sie konnte nur bestehen, weil sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheidend für die Kirche und für die Menschenrechte in der DDR einsetzen wollten und in überdurchschnittlichem Masse sich auch eingesetzt haben.
Nach fast 40 Jahren scheidet Michael Jaschik mit dem Jahresende aus dem aktiven kirchlichen Dienst aus. Seine Leistung für die Veränderung unserer Gesellschaft ist nicht hoch genug zu schätzen. Meine höchste Anerkennung gilt ihm. Der Dank soll mit ihm auch seinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen gelten. Herr Jaschik wird auch in Zukunft ein tragfähiger Baustein von Kirche und Gesellschaft bleiben. Wir wünschen ihm eine gute Zukunft und hier und da auch Freude an den Folgen seiner Mühen.
Heinz Josef Durstewitz, Propst und Bischöflicher Kommissarius emeritus, Domkapitular in Erfurt