Auf den Stühlen liegen Müsliriegel, für jeden steht eine Flasche Wasser bereit. In den Räumen von "youngcaritas" in der Berliner Pappelallee geht es familiär zu. Bei der Jugendinitiative des Wohlfahrtsverbands wird sofort das "Du" angeboten. An diesem Nachmittag können sich Jugendliche über die Arbeit der Caritas informieren - und Möglichkeiten erkunden, sich selbst zu engagieren.
Carolin Gröger (32) und Susanne Brehm (34) von "youngcaritas" haben zehn junge Besucher zu Gast. "Wenn ich sage, ich gehe auf die Platte, was bedeutet das?", fragt Gröger. Schweigen in der Runde. "Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass jemand auf freien Plätzen lebt, zum Beispiel auf der Domplatte in Köln", vermutet Saskia. Die 23-Jährige engagiert sich bereits ehrenamtlich bei der Caritas, Themen wie Obdachlosigkeit sind ihr nicht fremd. Gröger und Brehm erklären: "Es bedeutet, draußen zu schlafen. Vor allem unter älteren Obdachlosen ist der Ausdruck noch in Gebrauch."
Los geht es mit der S-Bahn Richtung Wedding. In der Residenzstraße befindet sich die Caritas-Zentrale des Erzbistums Berlin. Dort ist Irena Urban zuständig für die Kleiderkammer gleich neben dem Verwaltungsgebäude. Fein säuberlich hängen Hemden, Hosen, sogar Anzüge auf Kleiderständern. Auch Bücher, Spielzeuge und Haushaltsartikel werden dort unentgeltlich an bedürftige Menschen abgegeben. "Wenn wir abends nach Hause gehen, sind wir geschafft", erzählt die 60-Jährige von ihrer Arbeit in der Kleiderkammer. Ehrenamtliche Helfer würden immer gebraucht, betont sie.
Urban gibt auch überraschende Einblicke: "Wir brauchen vor allem Herrenschuhe. Männer tragen ihre Schuhe oft, bis sie kaputt sind. Frauen haben dauernd ein neues Paar." Schmunzeln in der Gruppe, auch bei der 22-jährigen Hang. Die junge Frau absolviert eine Büro-Ausbildung bei der Caritas. Sie will "mal sehen, wie es in den konkreten, praktischen Tätigkeiten so läuft", begründet Hang ihre Teilnahme. Einen späteren Wechsel vom Büro in die Arbeit mit Obdachlosen schließt sie nun nicht aus.
Genau das ist das Ziel von "youngcaritas", junge Menschen für die vielseitige soziale Arbeit an der Basis zu begeistern. "Der Mitarbeiterstamm der Caritas wird immer älter, junge Ehrenamtliche und Hauptamtliche gibt es zu wenig", beklagt Gröger. Berufseinsteiger streben zumeist eine Laufbahn an, in der sie "Karriere" machen können, merkt Brehm an. Doch in den vergangenen zweieinhalb Jahren ist es "youngcaritas" in Berlin gelungen, einen wachsenden Pool junger Leute für ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. "Wer die ganze Bandbreite der Caritas-Angebote kennt, kann dann selbst als Multiplikator in seinem Umfeld dafür werben", ist Brehm zuversichtlich.
Weiter geht es zum Bahnhof Zoo in Charlottenburg. "Wir haben hier die einzige Dusche für Obdachlose im Umkreis des Bahnhofs", hebt Bianca Rossa (33) hervor. Sie leitet die Caritas-Ambulanz für Wohnungslose in der Jebenstraße, in der es eine kleine Praxis für Menschen ohne Krankenversicherung gibt. "Viele Krankheiten entstehen aus mangelnder Hygiene, besonders häufig sind Probleme mit den Füßen. Wenn man den ganzen Tag auf den Beinen ist und schlechtes Schuhwerk trägt, sind Schmerzen kein Wunder", erzählt Rossa.
Mit einem Team von Ärzten, Krankenschwestern und einem Auszubildenden ist es der Projektleiterin auch wichtig, ihre Klienten als Menschen ernst zu nehmen. "Die meisten der sogenannten Penner werden einfach ignoriert, man schaut durch sie durch als wären sie Glas, selbst wenn sie in der S-Bahn höflich eine Obdachlosenzeitung anbieten." Anders läuft es in der Jebenstraße: Der kleine Arztraum wirkt aufgeräumt, alles ist sauber. "Wir wollen den Patienten dadurch ein Stück Normalität vermitteln", erläutert Rossa. "Einfach mal nett zu ihnen sein, damit schafft man mehr als jeder Psychiater", schließt sich Sozialarbeiterin Jenny Kröger (37) an.