In zwölf Krisenjahren zwei Bistümer aufgebaut

Zum 150. Geburtstag von Bischof Christian Schreiber


Es ist eine Entscheidung ganz im Sinne von Christian Schreiber: Das nach dem ersten Bischof des Bistums Berlin benannte Jugendhaus im brandenburgischen Alt-Buchhorst ist derzeit ein Zuhause für ukrainische Waisenkinder. Auch die nur drei Berliner Bischofsjahre Schreibers, der am 3. August vor 150 Jahren geboren wurde, waren von einer schweren Krise überschattet, deren soziale Nöte er tatkräftig anging.

Fast zeitgleich mit seinem Amtsantritt 1929 im neugegründeten Bistum Berlin hatte die Weltwirtschaftskrise begonnen, die zu einer Massenverelendung führte. Entsprechend seinem bischöflichen Wahlspruch "In caritate Dei" ("In der Liebe Gottes") brachte Schreiber Hilfsaktionen von Caritas und Kirchengemeinden auf den Weg, die sich an bedürftige Menschen ungeachtet ihrer Religion oder Weltanschauung richteten. Auch in seinen programmatischen Reden hob er immer wieder die Verantwortung des 1930 gegründeten Bistums für das Gemeinwohl hervor. Dies trug ihm weit über das katholische Milieu hinaus Respekt ein.

Wichtige bischöfliche Lehrjahre hatte der aus dem hessischen Somborn stammende Schreiber bereits in Sachsen hinter sich. Dort war der frühere Professor am Fuldaer Priesterseminar ab September 1921 der erste Bischof des wiedererrichteten Bistums Meißen, heute das Bistum Dresden-Meißen. Wie später im Bistum Berlin, das damals als ehemaliger Teil des Erzbistums Breslau noch weite Diasporagebiete östlich von Oder und Neiße umfasste, musste er die Verwaltungsstrukturen für ein Bistum erst aufbauen. Getrübt ist die Erinnerung an ihn jedoch bis heute in der slawischsprachigen Minderheit der katholischen Sorben, die Schreiber mangelnde Sensibilität für ihre eigenständige Identität vorwarfen.

Schreibers Wechsel acht Jahre später in die Reichshauptstadt stand dagegen von Anfang an unter einem guten Stern. Zur Begrüßungsfeier im Sportpalast, Berlins größte Versammlungsstätte, kamen im November 1929 über 12.000 Gläubige, die ihn mit großem Beifall empfingen. Schreiber zeigte sich dort schon vor seinem offiziellen Amtsantritt als ein Hauptstadtbischof, der einen weltoffenen und zugleich bekenntnisfreudigen Katholizismus repräsentierte und gegenüber allen politischen und weltanschaulichen Lagern gesprächsbereit war. Dazu gehörten auch Kontakte zur evangelischen Kirche und zum Judentum, die damals für einen katholischen Bischof noch nicht selbstverständlich waren.

Wie für andere seiner Amtsbrüder war der Umgang mit der Zeitenwende von der Weimarer Republik zum Dritten Reich für Schreiber aber nicht einfach und mit Missverständnissen verbunden. So bekannte er sich unter Hinweis auf seine Loyalität als Staatsbürger ausdrücklich zu der von links und rechts angefeindeten Weimarer Republik. Zugleich aber erklärte er 1930 nach einem ersten großen Wahlerfolg der NSDAP, auch ein Katholik könne Mitglied dieser Partei sein, wenn deren Programm es ihm ermögliche, "voll und ganz auf dem Boden der katholischen Lehre und Praxis zu verbleiben". Als Nationalsozialisten diese Aussage im Sinne einer Unterstützung umdeuteten, wies Schreiber eine solche Interpretation jedoch zurück und ging auf klare Distanz zum NS-Staat.

Indes war der Bischof durch ein Herzleiden gesundheitlich stark geschwächt, als die Nationalsozialisten Ende Januar 1933 an die Macht kamen. An Treffen der katholischen deutschen Bischöfe konnte er in der Folge teilweise nicht mehr teilnehmen. Wohin der katastrophale Weg des Regimes führte, erlebte Schreiber nicht mehr. Er starb am 1. September 1933, genau sechs Jahre vor dem deutschen Angriff auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg begann. An seinem drei Tage lang aufgebahrten Leichnam zogen nach Schätzungen über 100.000 Menschen vorbei, also rund ein Viertel der Katholikinnen und Katholiken Berlins.