Das Erzbistum Berlin steht vor großen strukturellen Veränderungen. Daran dürfte sich auch unter dem künftigen Erzbischof wenig ändern. Der scheidende Oberhirte, der Ende September nach Köln wechselnde Kardinal Rainer Maria Woelki, leitete vor über eineinhalb Jahren einen Reformprozess ein, der bereits Fahrt aufgenommen hat. Dabei erhalten Mitarbeiter des Erzbistums auch ungewöhnliche "Entwicklungshilfe" von den Philippinen.
Die Reform steht unter dem Motto "Wo Glauben Raum gewinnt". Danach sollen die derzeit 105 Kirchengemeinden zu rund 30 Großpfarreien zusammengelegt werden. Zwar kann das Erzbistum Berlin anders als die meisten anderen deutschen Diözesen vor allem wegen Zuzügen eine steigende Mitgliederzahl vorweisen, doch zugleich gibt es auch hier immer weniger Priester. Auch ist die Strukturreform mit neuen pastoralen Ansätzen verbunden. So sollen sich die Gemeinden eng mit katholischen Sozial- und Bildungseinrichtungen vernetzen und gemeinsam für den Glauben eintreten. Damit wachsen die Anforderungen für Pfarrer, Pastoral- und Gemeindereferenten.
Sie erhalten nun Hilfestellungen vom anderen Ende der Welt. Sie kommt vom philippinischen Pastoralinstitut "Bukal ng Tipan" (Quelle des Bundes), mit dem andere Bistümer wie Dresden-Meißen, Hildesheim oder Paderborn nach eigenen Angaben bereits sehr positive Erfahrungen gemacht haben. Seit Ende Juli sind Pater Mark Lesage, der Gründer von "Bukal ng Tipan", Estella Padilla, die leitende Theologin, und die Ökonomin Alicia Guiterrez, die das Pastoral-Team des Instituts anführt, an der Spree zu Gast.
Gemeinsam mit Verantwortlichen des Erzbistums analysieren sie die Ausgangslage, um die vorrangigen Aufgaben herauszufiltern. Dabei stehen nicht pastorale Theorien, sondern die konkreten religiösen Alltagserfahrungen im Mittelpunkt, wie sie betonen. Er sei kein "Theologe", sondern "ein Pastor, ein Hirte", sagt Bukal-Gründer Lesage.
Im Herbst reist eine Gruppe aus Berlin auf die Philippinen, um dort Möglichkeiten einer seelsorglichen Neuorientierung, die mehr ist als neue Strukturen, weiter zu erkunden. Im Rahmen der Weiterbildung von Priestern geht es zunächst darum, sich gemeinsam der Situation und der "Vision" eines Bistums oder einer Gemeinde bewusst zu werden, erklären Lesage und die promovierte Theologin Padilla. Dies beginnt nach ihren Worten mit gemeinsamen Exerzitien und wird fortgesetzt in Seminartagen und Arbeitsgruppen, eingebettet in eine spirituelle Kultur, die von der Bibel ausgeht.
Das Institut, das seit dem Jahr 2000 in Las Pinas bei Manila aufgebaut wird, kommt nicht mit Konzepten und fertigen Lösungen. Ziel ist es vielmehr, die Teilnehmer von möglichst vielen Aufgaben zu befreien, die sie derzeit einschränken und belasten. Im Gegenzug soll das jeweils vorhandene Potenzial an Wissen, Erfahrungen und Fähigkeiten, gerade auch bei Laien, in die Gemeindearbeit einfließen.
Dem Team von den Philippinen tritt für eine "partizipative Kirche" ein. Sie soll möglichst viele Gläubige motivieren, durch ihr Engagement das kirchliche Leben auch für das Umfeld zu bereichern. Gemeint ist nicht ein vordergründig "demokratisches" Mitbestimmen "gegen" die Amtsträger in der Kirche, wie Pater Lesage und seine Mitarbeiterinnen klarstellen. Es geht "ganz einfach nur darum, was die Bischöfe und Amtsträger gemeinsam mit den Menschen" für ihre Kirche wollen.
Für manchen deutschen Teilnehmer ist dies eine ungewohnte Herangehensweise. Das Ziel soll nicht sein zu "kopieren", sondern zu "kapieren", wie der Personalchef des Erzbistums, Hansjörg Günther, und dessen Weltkirchen-Beauftragte Vera Krause betonen. Es soll nach ihren Worten dabei helfen, die Kirche in einer sich verändernden Gesellschaft neu auszurichten.