Berlin (KNA) Keine Mauern, kein Kreuzgang, keine Kapelle. Wer die Missionsärztlichen Schwestern in Berlin besuchen will, muss an keinen "verschlossenen Ort", in kein Kloster vordringen. Denn die Ordensschwestern leben in einer kleinen Doppelhaushälfte mit Gemeinschaftsgarten, mitten im Neubaugebiet im Bezirk Biesdorf, am östlichsten Rand der Hauptstadt. Und dass sie anderen die Türe öffnen, ist eigentlich nichts Besonderes. Nur, dass sie es zum "Tag der offenen Klöster" am Samstag mit Ankündigung tun.
"Schön dat de do bess" werden Gäste am Eingang begrüßt. Aber nicht nur die kölsche Fußmatte verrät Schwester Michaelas rheinländische Wurzeln. Unverschnörkelt weiß sie in ihre Ordenswelt einzuführen: "Viele spricht das traditionelle Angebot der Kirche nicht mehr an. Ich selbst wollte schon als Kind Ordensschwester werden - aber im Kloster, in Ordenstracht, mit strikten Tagesabläufen? Nee, das war nix für mich." Die heute 71-Jährige hatte das Gefühl, so ihre Persönlichkeit nicht wahren zu können. Sie wollte flexibel sein, internationalen Dialog leben - und Missionarin sein.
1966 traf sie bei ihrem Sozialen Jahr in Essen auf die Missionsärztlichen Schwestern, die auch heute noch neben Berlin und Frankfurt im Ruhrgebiet Gemeinschaften haben. Die damals 23-Jährige holte ein Theologie- und BWL-Studium nach, leitete 15 Jahre lang die Verwaltung des Ordens, arbeitete und lebte mit Ordensmitgliedern auf der halben Welt - bis sie mit einer Kollegin, Schwester Monika, 1992 den Standort Berlin öffnete.
Zuhören, Rat geben, nach Lösungen suchen, Menschen begleiten
Ein Kardinal habe sie einst gewarnt: "In Berlin kommt ihr in eine Stadt ohne Gott." Sie wohnten acht Jahre im Plattenbau in Berlin-Mahrzahn, "um ganz nah an den Menschen dran zu sein", sagt Schwester Monika. In Mahrzahn-Hellersdorf, wo sie bis auf den heutigen Tag ihre Anlaufstelle für Lebensberatung betreiben, so schätzen die Schwestern, sind über 90 Prozent der Menschen "religiös indifferent", also nicht katholisch. Nur wenn Not am Mann war, wüsste man, wo man klingelt. "Mit der Kirche hatten die nix am Hut, aber dann kamen sie", erinnert sich Schwester Michaela. In 15 Jahren als Notfallseelsorgerin waren es nur selten Christen, zu denen sie gerufen wurde. Gespräche über Gott? Nein.
Ihre Aufgabe sehen die Schwestern stattdessen in ihrer "heilenden Präsenz": Zuhören, Rat geben, auf spirituellen Wegen nach Lösungen suchen, Menschen auf der Suche nach Gott begleiten. Aber nicht jeder, der in die Anlaufstelle nach Marzahn kommt, ist auf der Suche nach Gott. Und seit dem Mauerfall sind die Probleme der Menschen nicht weniger geworden: Überforderung bei Alleinerziehenden, Arbeitslosen und Führungskräften. "Psychisch Angeschlagene von A bis Z kommen zu uns", sagt Schwester Angelika. Die Hilfsangebote reichen von Musiktherapie, Meditation, Qi Gong bis hin zu Bogenschießen.
Man kann aber auch einfach zu den Schwestern nach Hause in Biesdorf kommen, am Gebet und am Leben teilnehmen, sogar ein Probejahr im Orden versuchen. Die Rahmenbedingungen - Verpflichtung zu Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit - sind die gleichen wie in jedem Klosterorden. Nur dass die Schwestern bewusst mitten unter uns leben. Eben ohne Mauern.