"Nach unruhigem Start herzlich aufgenommen"Berliner Erzbischof Heiner Koch zu ersten 100 Tagen im Amt

Foto: Walter Wetzler

Berlin (KNA) Berlins neuer katholischer Erzbischof Heiner Koch ist am 27. Dezember 100 Tage im Amt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprach er am Sonntag über seine ersten Erfahrungen und Herausforderungen im Hauptstadtbistum.

Herr Erzbischof, welche Ihrer Erwartungen haben sich in Ihren ersten 100 Amtstagen erfüllt, womit haben Sie nicht gerechnet?

Erfüllt hat sich meine Erwartung, dass der Anfang sehr unruhig wird, weil ich lange Zeit gar nicht in Berlin sein werde. So war ich im Oktober dreieinhalb Wochen bei der Weltbischofssynode für Ehe und Familie in Rom. Auch die große Vielfalt innerhalb Berlins und die Unterschiede dazu in Brandenburg und Vorpommern, die auch zum Erzbistum gehören, hat mich nicht überrascht. Nicht erwartet habe ich dagegen, wie herzlich ich aufgenommen worden bin, auch außerhalb der Kirche von der Politik, den Medien oder der Kultur. 

Von Ihrem Vorgänger, Kardinal Rainer Maria Woelki, haben Sie unter anderem das umstrittene Sanierungsprojekt für die Sankt-Hedwigs-Kathedrale übernommen. Dazu haben Sie jetzt ein Expertensymposium veranstaltet. Was hat es Ihnen gebracht?

Ich weiß, dass dieses Projekt viele Menschen aufwühlt. Dennoch habe ich einen Abend auf hohem Niveau erlebt. Auch die konträren Standpunkte zu einem Umbau des Kircheninneren sind in einem guten Stil vertreten worden. Gut fand ich, dass sich Priester und Ministranten, die an den Gottesdiensten in der Kathedrale mitwirken, zu Wort gemeldet haben. Ich selbst habe drei Seiten mit Fragen formuliert, die ich mit den Architekten jetzt angehen werde.

Wo besteht Klärungsbedarf?

Ich habe Fragen an die gegenwärtige Raumgestalt mit der Bodenöffnung und der Treppe zur Krypta, aber auch an den Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs. Es sind vor allem liturgische und pastorale Fragen, die aus der Feier des Gottesdienstes entstehen.

Was stört Sie am bestehenden Kirchenraum?

Es ist etwa der Zustand der Krypta mit den Grabstätten der Bischöfe und des seligen Bernhard Lichtenberg höchst unbefriedigend. Sie kann ein wichtiger Ort der Erinnerung und des Gottesdienstes sein, in dem auch Nichtchristen zur Ruhe kommen. Die Krypta bleibt aber derzeit weit unter ihren Möglichkeiten, etwa durch die willkürliche Nutzung der Seitenkapellen. Ein weiteres großes Problem sehe ich in der Oberkirche, in der derzeitigen Aufteilung der Gottesdienstgemeinde in zwei Blöcke. Auch weiß ich nicht, wie man in dieser Kirche festliche Prozessionen gestalten soll. Die Dramaturgie des Gottesdienstes ist nur begrenzt möglich.

Wo sehen Sie Defizite beim Umbauentwurf, der beim Architektenwettbewerb den ersten Platz belegte?

Das Konzept der geschlossenen Kreise, zu denen die Kirchenstühle angeordnet sind, ist schwierig für die Menschen, die nicht zur Gottesdienstgemeinde gehören. Für problematisch halte ich auch, dass das Kreuz bei dem Entwurf nur an der Seite steht. Die Hauptfrage ist für mich, welche Botschaft der Raum ausdrückt, wenn ich hineinkomme. Kunst kann auch ärgern, aber sie muss vor allem etwas auslösen.

Haben Sie mit Kritikern des Umbaus gesprochen?

Ich habe mich bereits mit ihren Sprechern getroffen. Ich finde es gut, dass sie ihre Bedenken und die Sorgen vieler Menschen zum Ausdruck bringen. Ich hoffe aber auch, dass alle, die sich an der Debatte über die Sanierung beteiligen, bereit sind, die Entscheidung mitzutragen, die ich im kommenden Jahr treffen werde. Es kann nicht sein, dass der Bau einer Kirche aus Stein die lebendige Kirche auseinanderreißt. Jeder trägt eine Verantwortung für die Einheit - auch dann, wenn ihm die Entscheidung nicht gefällt.

Die Kathedralsanierung steht auch im Zusammenhang mit dem Wunsch der Deutschen Bischofskonferenz, die Präsenz der katholischen Kirche in der Hauptstadt zu stärken. Wie weit sind die Pläne gediehen?

Die Bischofskonferenz hat mir erst kürzlich wieder ihre Unterstützung zugesagt. Anfang kommenden Jahres werden wir Zahlen und Fakten auf den Tisch legen, damit die Hilfe auch konkret werden kann. So ist zu entscheiden, mit wie vielen Personen das geplante Wissenschaftszentrum arbeiten soll, welche Themen es bearbeitet und mit welchen Institutionen es sich vernetzt. Eine wichtige Frage ist auch, wo es unterkommt.

Im Unterschied zur Kathedralsanierung sind die Einwände gegen die laufende Gemeindereform des Erzbistums - vor allem gegen die Bildung von Großpfarreien - leiser geworden. Wie ist der Stand?

Im wesentlichen ist es keine bloße Strukturreform. Es geht darum, wie wir Menschen besser mit unserem Glauben in Berührung bringen und die Welt menschlicher gestalten können. Das ist für mich die Hauptfrage. Da muss jede Region mit mir zusammen als ihrem Bischof ihre Antwort finden. Das setzt voraus, dass alle Kirchenmitglieder - nicht nur die Seelsorger - ihre Verantwortung wahrnehmen. Daran müssen sich alle kirchlichen Einrichtungen, etwa auch Schulen und Kindergärten, beteiligen. Dann können wir sehen, welche Strukturen dazu am besten geeignet sind. Im kommenden Jahr werde ich - wie in meinem früheren Bistum Dresden-Meißen - mit den leitenden Mitarbeitern in alle Regionen fahren, um mit den Menschen dort zu sprechen.

Im kommenden Mai findet in Leipzig der Katholikentag statt, den Sie als Dresdner Bischof mit vorbereitet haben. Wie wichtig ist er Ihnen weiterhin?

Es ist ein Katholikentag, den wir als ostdeutsche Bistümer gemeinsam mittragen. Ich bleibe dem Projekt auch persönlich sehr verbunden. Der Katholikentag kommt in eine Stadt, in der viele Menschen bewusst oder unbewusst ohne christlichen Glauben leben. Wir wollen erreichen, dass sie mit ihm in Berührung kommen. Deshalb lassen wir uns von vielen einladen, wir gehen zu Künstlern oder in die Universität mit unseren Veranstaltungen.

Die Katholikentagsleitung hat sich dagegen entschieden, AfD-Vertreter auf Podien einzuladen. Ist diese Entscheidung richtig?

Es ist nicht Sinn des Katholikentags, dass Parteien sich präsentieren. Er soll zwar Menschen unterschiedlicher Auffassungen miteinander ins Gespräch bringen, auch wenn sie in der Flüchtlingsfrage unterschiedliche Positionen vertreten. Unter dieser Bedingung ist dann auch jedes AfD-Mitglied auf dem Katholikentag willkommen. Wir wollen aber nicht, dass Parteien den Katholikentag als Forum für ihre Selbstdarstellung nutzen.

Das Flüchtlingsproblem wird eine wichtige Rolle beim Katholikentag spielen. Immer wieder wird in der gesellschaftlichen Debatte eine Begrenzung des Familiennachzugs von Asylsuchenden verlangt. Wie stehen Sie als "Familienbischof" der Bischofskonferenz dazu?

Ich halte das für völlig kontraproduktiv. Wenn wir wollen, dass diese Menschen sich in unsere Gesellschaft integrieren und hier eine Heimat finden, dann geht es nur, wenn ihre Familien dabei sind. Ich könnte es nicht nachvollziehen, wenn die Schwächsten der Schwachen, die Kinder, oder alte Menschen, die nicht mehr alleine leben können, nicht nachziehen dürften.