"Neukölln gibt es auch in Köln"Der neu ernannte Erzbischof Woelki stellt sich am Rhein vor

Köln (KNA) Köln am Samstagmittag. Der "decke Pitter" und die anderen Domglocken läuten. Festgeläut ist auch für die anderen katholischen Kirchen in der Stadt und im Erzbistum angesagt. Auf der Domplatte nähert sich im schlichten schwarzen Priesteranzug und der Aktentasche unter dem Arm die Person, dem die Festkulisse gilt: Kardinal Rainer Maria Woelki. Beim Mittagsgebet stellt sich der tags zuvor vom Papst Franziskus ernannte neue Kölner Erzbischof vor.

Der für 12 Uhr geplante Beginn verzögert sich, weil viele Menschen dem von Berlin abberufenen Erzbischof die Hand schütteln und gratulieren wollen. Nach und nach gelangt Woelki an das Domportal, wo ihn Mitglieder des Domkapitels begrüßen. Eine Umarmung hier, ein Schulterklopfen dort - man merkt, dass ein alter Bekannter die Kathedrale betritt. Der gebürtige Kölner war hier mehrere Jahre an führender Stelle und als Weihbischof tätig.

Die Amtseinführung ist erst am 20. September. Doch schon das Mittagsgebet in dem gut gefüllten Dom gerät zu einer Einführung in die neue Aufgabe. Langer Beifall brandet auf, als Übergangsverwalter Stefan Heße den 94. Nachfolger des heiligen Maternus begrüßt. Es komme ein Erzbischof nach Köln, "der uns vertraut ist und dem wir vertraut sind". Heße bekundet Mitgefühl mit den Berlinern, die nun von Woelki Abschied nehmen müssen. Zugleich zeigt er sich aber dankbar dafür, dass Woelki "Ja" gesagt hat zur Wahl des Domkapitels. Das war bei einem Telefonat am Sonntagabend vor einer Woche aus der Wahlsitzung des Kapitels heraus, wie Heße erzählt. Woelki habe zunächst sprachlos und dann mit einem kurzen Satz reagiert: "Ihr seid bekloppt."

Der Anruf kam übrigens, als Woelki nach einem anstrengenden Tag vor dem Fernseher bei einem Til-Schweiger-Film "abhing" und ("schon lange nicht mehr so gelacht") sich ein wenig gestört fühlte, wie er am Morgen vor Journalisten erläuterte. Nun, im Dom, ist er überwältigt vom Willkommensgruß: "Das ist wie Weihnachten und Ostern zusammen." Der Kardinal unterstreicht die Verbundenheit mit seiner Heimat, indem er das Höhner-Lied "Hey Kölle, do bes e Jeföhl!" (Hey Köln, du bist ein Gefühl) zitiert. Zur Bischofsstadt gehörten Rhein, Karneval und eben der Dom. Der verbinde die Herzen aller Kölner - ob Gläubige oder Nichtgläubige, Deutsche oder Zugewanderte. Die Kathedrale mit ihren Türmen zeige: "Wir sind nach oben hin, über uns hinaus angelegt."

Der designierte Erzbischof ruft zur Mitarbeit in der Kirche auf. So wie der Dom aus verschiedenen Steinen bestehe, sollten alle Menschen mit ihren verschiedenen Begabungen als lebendige Steine mitmachen. Das passt zu den Tönen, die Woelki auch schon vor der Presse anklingen ließ. Dort betonte der bekennende FC-Fan, dass er sich als "Teamplayer" verstehe, der Beschlüsse gerne nach eingehender Beratung fällt - übrigens auch durch Frauen. Die können in der katholischen Kirche nicht Priester werden. Mit einem gewissen Stolz verweist Woelki aber darauf, dass er in Berlin zahlreiche Führungsposten in der Bischofsverwaltung und die Leitung seines Büros mit Frauen besetzt habe.

Für die neue Aufgabe am Rhein fühlt sich Woelki durch seine dreijährigen Erfahrungen an der Spree gut vorbereitet. Das angeblich gottlose Berlin sei dem "hillije Kölle" doch ziemlich ähnlich. Zwar bildeten die Katholiken in der Stadt am Rhein keine Minderheit. Doch auch hier sei nicht mehr alles und alle katholisch. "Ich glaube, dass wir uns hier in Köln manches von Berlin abgucken können." Dies gelte nicht zuletzt mit Blick auf die sozialen Probleme und Migranten: Lampedusa sei in beiden Städten gegenwärtig, auch in Köln gebe es Stadtteile wie Wedding oder Neukölln in Berlin.

Bei allem Blick in seine Kölner Zukunft sorgt sich Woelki weiter auch um sein bisheriges Hauptstadtbistum. Besonders liegt ihm die Präsenz der Katholiken dort und der geplante Umbau der Sankt-Hedwigs-Kathedrale am Herzen. Dazu möchte er die relativ kleine und arme Kirche im Osten künftig von der betuchteren Kölner Erzdiözese aus unterstützen - und für die Idee auch andere Bistümer gewinnen. Der Neu-Kölner bleibt also ein bisschen ein Berliner.