"Politischer herangehen"Thomas M. Schimmel koordiniert nun "Lange Nacht der Religionen"

Berlin (KNA) Die Berliner "Lange Nacht der Religionen" gibt es am 6. September schon zum dritten Mal. Doch es ist auch eine Premiere: Erstmals werden die Ausstellungen, Konzerte, Vorträge und Hausführungen in fast 100 Synagogen, Kirchen, Moscheen oder Tempeln von einem Katholiken koordiniert.

Es ist Thomas M. Schimmel. Im Frühjahr übernahm der Politikwissenschaftler die Aufgabe von Peter Amsler. Der Beauftragte der Bahai-Gemeinschaft für Menschenrechtsfragen hatte die Federführung bei den ersten beiden Nächten, die den Dialog zwischen den Religionen fördern sollen. Aus beruflichen Gründen gab er die Koordination nun ab, wie Schimmel erklärt. Seinem Vorgänger bescheinigt er hervorragende Arbeit. "Ohne sein Organisationstalent und ohne seine integrative Kraft gäbe es diese Veranstaltung nicht."

Im Vorbereitungskreis arbeitete Schimmel bereits mit. Beim Besuch der ersten "Langen Nacht der Religionen" hatte er Feuer für das Projekt gefangen. Nun will er auch eigene Akzente setzen. So wirbt er bei den Teilnehmern, in ihren selbst verantworteten Programmen die positive Funktion der Religionen in der Gesellschaft herauszustellen. "Das ist vielleicht eine etwas politischere Herangehensweise", erklärt der 50-Jährige seinen Ansatz für die einzige "Nacht" dieser Art in einer deutschen Metropole.

Im interreligiösen Gespräch ist Schimmel bereits Experte. Er ist Geschäftsführer von "1219. Deutsche Stiftung für interreligiösen und interkulturellen Dialog". Der Verein mit dem ungewöhnlichen Namen spielt auf das Jahr 1219 an. Damals ging der heilige Franz von Assisi zum ägyptischen Sultan Al Kamil Muhammad al Malik, um in der Zeit der Kreuzzüge für Frieden einzutreten. In diesem Geist gründete die Missionszentrale der Franziskaner vor zwei Jahren den Verein, der unter anderem Berliner Verwaltungsbeamte interkulturell fortbildet.

Schimmel und seine Mitarbeiter wenden sich aber auch an ein breiteres Publikum. Zusammen mit der Initiative "Religionen auf dem Weg des Friedens" und dem "Deutschsprachigen Muslimkreis Berlin" entwickelten sie ein Memory-Spiel mit plakatgroßen Fotos von Berliner Gotteshäusern. Bereits bei der vergangenen "Langen Nacht der Religionen" konnten Besucher damit ihr Gedächtnis testen.

Nun steht erneut ein buntes Spektrum auf dem Programm. Schimmel hofft auf den gleichen Zuspruch wie 2013, als nach Angaben der Veranstalter rund 10.000 Besucher kamen. In diesem Jahr beteiligen sich 97 Religionsgemeinschaften und interreligiöse Initiativen von "Achtsam Leben" bis "Zen Zentrum Berlin". Probleme mit Scientology gibt es diesmal nicht. Die umstrittene Organisation hatte im vergangenen Jahr auf Einladungen zu Unrecht den Eindruck erweckt, zum Programm der "Nacht" zu gehören. Ein Rechtsanwalt sorgte dafür, dass dies nicht mehr der Fall ist, wie Schimmel erläutert.

Bis vor kurzem stand die "Religionsnacht" vor einer Bewährungsprobe anderer Art: Nach zweijähriger "Anschubförderung" durch den Berliner Senat sind die Organisatoren nun weitgehend auf sich alleine gestellt. Die rund 7.000 Euro - vor allem für Programmhefte und Plakate - seien aber durch Spenden aufgebracht worden, so Schimmel.

Zudem ist der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zwar weiter Schirmherr. Die "Lange Nacht" entstand aus dem Berliner "Dialog der Religionen", den Wowereit vor über drei Jahren angeregt hatte. Die Auftaktveranstaltung ist jedoch nicht mehr im Roten Rathaus. An dessen Stelle haben die Organisatoren den - allerdings nicht minder prominenten - Gendarmenmarkt gewählt.

Das Engagement der beiden großen Kirchen ist jedoch weiterhin "eher zurückhaltend", wie der Koordinator bedauert. Zwar beteiligen sich nun fünf Gemeinden und Einrichtungen des Erzbistums Berlin sowie sieben der evangelischen Landeskirche. Bei der ersten Nacht waren es eine katholische und drei evangelische Gemeinden. Zugleich macht in Kirchenkreisen weiter die Rede von einem "Religionszirkus" die Runde. "Wir brauchen solche Nächte sehr", hält Schimmel entgegen, "sie sind ein Anstoß, über unseren Glauben nachzudenken und ihn für andere verständlich zu machen".