Berlin (KNA) Ernst Pulsfort sucht nach Wohnungen. Nicht für sich, denn als Pfarrer der katholischen Sankt-Laurentius-Gemeinde in Berlin-Tiergarten wohnt er im Gemeindehaus. Der Seelsorger braucht Unterkünfte für eine syrische Großfamilie einschließlich Freunden und Nachbarn. An die 240 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland konnten mit Hilfe des 59-Jährigen bereits nach Deutschland kommen. Bis Ende September werden noch etwa weitere 100 Flüchtlinge erwartet.
Vor zwei Jahren begann Pulsfort, Spenden für die Familie eines syrischen Freundes zu sammeln, die aus der umkämpften Stadt Homs nach Kairo entkommen war. Die Kirchengemeinde im Hansaviertel unterstützte ihren Pfarrer von Anfang an. Allein die Kollekten in den Gottesdiensten erbrachten fast 8.000 Euro. Einzelpersonen wie Unternehmer spendeten teilweise im fünfstelligen Bereich.
"Insgesamt sind seit Ostern 2012 so eine halbe Million Euro zusammengekommen", bilanziert Pulsfort, der früher Geistlicher Rektor der Katholischen Akademie in Berlin war. Davon konnte er das Überleben von knapp 340 Flüchtlingen in ausländischen Notunterkünften sichern und ihre Reisekosten nach Deutschland finanzieren. "Wir sind sprachlos", schrieben sie der Gemeinde bereits vor zwei Jahren. Einige Monate später schickten sie eine kleine Dankes-Tafel nach Berlin: "Liebe Schwestern und Brüder, dass Deutschland uns hilft, werden wir nie vergessen. Wir versprechen, dass wir das Vertrauen des deutschen Volkes nicht enttäuschen werden."
Enttäuscht ist dagegen Pulsfort, und zwar von den deutschen Behörden. Die Eingliederung der Flüchtlinge gehe - wenn überhaupt - nur sehr schleppend voran. Es gebe für sie kaum Integrationskurse und Möglichkeiten, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen: "Erst holen sie die Leute rein, und dann lassen sie sie allein", kritisiert der Pfarrer. In den Flüchtlingsheimen wüchsen derweil Frust und Aggression: "Das ist ein Pulverfass, und jedes Pulverfass kann irgendwann explodieren", warnt Pulsfort.
Viele Syrer, die mit seiner Unterstützung nach Berlin kamen, sind Akademiker und qualifizierte Fachkräfte. In Deutschland sind ihre Abschlüsse in der Regel jedoch nicht anerkannt. Nicht mal eine Handvoll der von Pulsfort betreuten Syrer hat bislang einen Job gefunden: In einer Pizzeria waschen sie Teller. Manche Kinder warten seit Monaten auf einen Platz in der Schule. Gemeindemitglieder hätten zwar angeboten, sie ab und an zu unterrichten. "Aber das reicht nicht", betont der Seelsorger.
Trotz des Frusts über die Behörden freut sich Pulsfort, dass die Gruppe jetzt in Sicherheit ist. In Syrien hätte sie der Tod erwartet, davon ist er überzeugt. Er rät seinen Schützlingen ab, Pläne für eine Rückkehr zu schmieden. "Die Situation dort ist schlimmer als im Zweiten Weltkrieg", meint der Pfarrer.